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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Sam das
Grundstück an der Rainshadow Road gekauft und die Grenzen abgeschritten hatte,
entdeckte er diesen Weinstock, der wild auf dem Gelände wuchs. Vom Aussehen
her hätte er ein Exemplar der Edlen Weinrebe – Vitis vinifera subspecies
vinifera – sein können, die von den Kolonisten aus Europa mitgebracht worden
war. Aber das war im Grunde nicht möglich. Diese Sorte war sehr anfällig für
hiesige Schadinsekten und Krankheiten und dem Klima nicht gewachsen. Es gab
praktisch keine überlebenden Exemplare mehr. Die Franzosen hatten Hybridsorten
mit heimischen Weinreben entwickelt, die Früchte produzierten, ohne auf eine
krankheitsresistente Unterlage gepfropft werden zu müssen. Vielleicht war
dieser Weinstock eine solche alte Hybride. Aber er ähnelte keiner Sorte, die
Sam jemals untergekommen war oder über die er je etwas gelesen hatte. Bisher hatte
ihn auch noch niemand identifizieren können, nicht einmal ein Spezialist, der
sich die Fotos angesehen und die Proben untersucht hatte, die Sam ihm
geschickt hatte.
    „Wie kann
ich dir helfen?”, murmelte Sam und strich mit der Hand sanft über die großen
flachen Blätter. „Was ist dein Geheimnis?”
    Normalerweise
konnte er die Energie im Boden und in den Wurzeln spüren und Signale empfangen,
was gebraucht wurde, sei es eine andere Temperatur oder Feuchtigkeit, mehr
Licht oder Nährstoffe. Aber der Weinstock schwieg. Er schien traumatisiert und
unempfindlich für Sams Nähe.
    Sam verließ
seinen Weinberg und machte sich auf den Weg zur Küche, um für sich und Holly
etwas zu essen zuzubereiten. Er holte Milch und Käse aus dem Kühlschrank und
war dabei, gegrillte Käsesandwiches vorzubereiten, als es an der Haustür
klingelte.
    Sam öffnete
und sah sich Kevin Pearson gegenüber, den er schon ein paar Jahre nicht mehr
gesehen hatte. Sie waren nicht miteinander befreundet, aber da beide auf der
Insel aufgewachsen und eine Zeit lang in dieselbe Klasse gegangen waren, kannten
sie sich. Kevin war schon immer gut aussehend und beliebt gewesen, eine
Sportskanone und ein Frühentwickler, der immer die besten Mädchen abschleppte.
    Sam dagegen
war eher eine Bohnenstange gewesen und hatte seine Nase ständig in einer
Ausgabe von Popular Science oder einem Roman
von Tolkien stecken. Von allen Söhnen mochte sein Vater
ihn am wenigsten. Er war der Mittlere, der Streber, der sich für die bei Ebbe
in den Gezeitentümpeln der False Bay zurückbleibenden
Muscheln, Schlickkrebse und Borstenwürmer begeistern konnte. Kein schlechter
Sportler, hatte er trotzdem nie so viel Spaß an Wettkämpfen gehabt wie Mark
oder mit solch wildem Siegeswillen daran teilgenommen wie Alex.
    Die
lebhafteste Erinnerung an Kevin Pearson hatte Sam aus der siebten Klasse. Sie
hatten gemeinsam die Aufgabe erhalten, ein Referat
über jemanden auszuarbeiten, der sich in Medizin oder
Naturwissenschaft hervorgetan hatte. Dazu gehörten ein Interview mit einem
ortsansässigen Apotheker, eine Schautafel und ein
Aufsatz über die Geschichte der Pharmakologie. Angesichts der Tatsache, dass
Kevin die Arbeit ständig vor sich herschob und stinkfaul war, hatte Sam
schließlich alles allein erarbeitet. Sie hatten dafür eine ausgezeichnete Note
erhalten, die ihm und Kevin gleichermaßen zuerkannt wurde.
    Aber als
Sam protestierte, dass es nicht fair sei, wenn Kevin so viel Anerkennung für
eine Aufgabe einstrich, die er gar nicht erfüllt hatte, schaute dieser ihn nur
verächtlich an.
    „Willst du
wissen, warum ich dir nicht geholfen habe? Mein Dad hat es mir nicht
erlaubt”, erklärte er. „Er sagt, deine Eltern sind Säufer.”
    Das konnte
Sam nicht abstreiten.
    Trotzdem
meinte er: „Du hättest mich ja zu dir nach Hause einladen können. Dann hätten
wir wenigstens die Schautafel gemeinsam erstellen können.”
    „Kapierst
du es einfach nicht? Meine Eltern hätten dich nie ins Haus gelassen! Niemand
will, dass seine Kinder mit einem Nolan befreundet sind.”
    Auch Sam
fiel kein Grund ein, warum irgendjemand mit einem Nolan befreundet sein
wollte. Seine Eltern, Jessica und Alan, stritten sich hemmungs- und
zurückhaltungslos, schrien sich vor den Augen ihrer Kinder, ihrer Nachbarn und
sogar Fremder an. Sie zögerten keine Sekunde, sich lautstark über Geldfragen,
Sex und Privatangelegenheiten auszulassen. Und während sie aufeinander
losgingen und sich dabei immer mehr erniedrigten, lernten ihre Kinder etwas
Entscheidendes zum Thema Familienleben: nämlich, dass sie nichts damit zu tun
haben

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