Zaubersommer in Friday Harbor
bewusst, dass er gerade eine völlig neue
Erfahrung machte. Von ihr ging eine Anziehungskraft aus, die mit jeder Sekunde,
die er in ihrer Gegenwart verbrachte, stärker wurde.
Aber wie
sehr würde er ihr wehtun, wenn es vorbei war? Mit amüsierter Selbstironie
erkannte Sam, dass sein instinktiver Wunsch, sie zu verführen, von einem ebenso
starken Wunsch, sie vor ihm selbst zu warnen, in Schach gehalten wurde.
Ein
leichtes Lächeln glitt über sein Gesicht, und er hob die Hand, um ihr sanft
über die Wange zu streichen. „Du nimmst das Leben sehr ernst, nicht wahr?”
Sie
runzelte die Stirn. „Wie sollte ich es sonst nehmen?”
Sam
grinste. Mit beiden Händen hob er ihr Gesicht und streifte ihre Lippen in einem
behutsamen sanften Kuss. Ihre Haut fühlte sich heiß an, und er spürte ihren
Puls schnell und stark an seinen Fingerspitzen. Der Kontakt, so beschränkt er
auch war, erregte ihn stärker und schneller als erwartet. Er hob den Kopf,
bemühte sich, seinen Atem zu beruhigen und seinem wachsenden Verlangen
entgegenzusteuern.
„Wenn du
jemals Lust auf eine bedeutungslose körperliche Beziehung hast, die zu nichts
führt”, sagte er, „dann lässt du es mich hoffentlich wissen.”
Schweigend
gingen sie weiter, bis sie Lucys Kunstwerkstatt erreichten.
An der
Schwelle blieb Lucy stehen. „Ich bin an der Wohnung interessiert, Sam”,
sagte sie vorsichtig, „aber nicht, wenn das zu einer problematischen Situation
führt.”
„Das wird
es nicht”, erwiderte Sam. Gerade war er zu dem Schluss gelangt, dass, so
sehr er sich auch eine Affäre mit Lucy Marinn wünschte, nichts Gutes dabei
herauskommen konnte. Er lächelte sie freundschaftlich an und umarmte sie kurz.
„Ich rede mit Mark und rufe dich dann an.”
„In
Ordnung.” Lucy löste sich von ihm und lächelte unsicher. „Danke für die
Einladung zum Essen. Und noch mehr dafür, dass du mir durch meine erste
Begegnung mit Kevin und Alice geholfen hast.”
„Ich habe
gar nichts getan”, erklärte er. „Du wärst wunderbar allein
zurechtgekommen.”
„Ich weiß.
Aber mit dir war es einfacher.”
„Gut”, sagte er und schenkte ihr
noch einmal ein Lächeln, bevor er ging.
„Es ist
schief”,
erklärte Holly, als sie am Morgen die Küche betrat.
Sam, der
gerade eine Schüssel mit Müsli füllte, blickte auf. „Was ist schief?”
Die Kleine
drehte sich um und zeigte ihm ihren Hinterkopf. Sie hatte Sam gebeten, ihre
Haare in zwei Zöpfen hochzubinden. Das war eine mühsame Angelegenheit, die
damit begann, dass das Haar am Hinterkopf in einer absolut geraden Linie gescheitelt
wurde. Die Zöpfe durften nicht zu tief und nicht zu hoch sitzen, nicht zu
straff und nicht zu locker gebunden werden. Normalerweise fiel Mark die
Aufgabe zu, Holly zu frisieren, weil er das sehr geschickt so tat, wie sie es
wollte. Aber Mark war über Nacht bei Maggie geblieben und gegen alle Gewohnheit
noch nicht wieder zu Hause.
Sam
untersuchte Hollys Hinterkopf. „Das ist so gerade wie ein Katzenschwanz.”
Sie warf
ihm einen mild empörten Blick zu. „Katzenschwänze sind nicht gerade.”
„Doch, sind
sie – wenn man daran zieht”, gab er zurück und zog sanft an einem der
Zöpfchen. Dann stellte er die Schüssel mit dem Müsli auf den Tisch. „Du kommst
zu spät zur Schule, wenn ich dich noch einmal frisieren muss.”
Holly stieß
einen tiefen Seufzer aus. „Dann muss ich wohl den ganzen Tag so herumlaufen.”
Um die schiefe Linie auszugleichen, neigte sie leicht den Kopf.
Sam lachte
und verschluckte sich dabei an seinem Kaffee. „Na schön, wenn du dich mit dem
Frühstück beeilst, haben wir vielleicht doch noch Zeit, um das in Ordnung zu
bringen.”
„Um was in
Ordnung zu bringen?”, fragte Mark, der im selben Moment die Küche betrat.
Er ging zu Holly und kauerte sich neben ihren Stuhl. „Guten Morgen, mein
Schatz.”
Sie schlang
ihm die Arme um den Hals. „Guten Morgen, Onkel Mark.” Dann
küsste sie ihn und strahlte ihn treuherzig an. „Bringst du meine Haare in
Ordnung?”
Mark
musterte sie mitleidig. „Hat Sam dich wieder schief frisiert? Ich kümmere mich
gleich darum. Aber iss erst mal dein Müsli, solange es noch knusprig ist.”
„Wie
steht's?”, fragte Sam, während Mark die Kaffeekanne und den Kaffeefilter
leerte. „Alles in Ordnung?”
Mark
nickte. Er sah müde aus und verstört. „Das Essen mit Maggie gestern Abend war
großartig – alles in Ordnung. Allerdings versuchen wir uns gerade an einer
verzwickten
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