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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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ausgesehen haben, als wäre sie eine, aber
... Sie hatte nicht mehr Ähnlichkeit mit einer Familie als die Schlachthälften
im Kühlhaus mit einer Rinderherde.”
    „Das tut
mir leid”, erwiderte Lucy sanft. „Gab es ein Problem mit deinen
Eltern?”
    Sam zögerte
so lange, dass Lucy schon glaubte, er werde ihr die Antwort schuldig bleiben.
„In jeder kleinen Stadt gibt es den stadtbekannten Säufer”, sagte er
schließlich. „Mit meinen Eltern waren es gleich zwei.” Seine Lippen
verzogen sich zu einem schwachen ironischen Lächeln. „Zwei miteinander verheiratete
Alkoholiker unterstützen einander in ihrer Sucht den ganzen Weg bis in die
Hölle.”
    „Hat je einer von ihnen versucht, sich helfen zu lassen?”
    Er schüttelte
den Kopf. „Selbst wenn es einer von ihnen versucht hätte – es ist nahezu
unmöglich, nüchtern zu werden und vor allem zu bleiben, wenn man mit einem
Alkoholiker zusammenlebt.”
    Die
Unterhaltung wurde zu einem vorsichtigen Abtasten, Erforschen von Grenzen. Sie
befanden sich auf vermintem Terrain.
    „Waren sie
immer so?”, fragte Lucy.
    „Soweit ich
mich entsinnen kann. Als wir Kinder nach und nach alt genug wurden, um
auszuziehen, sahen wir zu, dass wir wegkamen. Bis schließlich nur noch Alex zu
Hause war. Und jetzt ...”
    „Ist er ein
Alkoholiker?”
    „Ich weiß
nicht, wo ich die Grenze ziehen soll. Aber wenn er sie noch nicht überschritten
haben sollte, dann ist das nur noch eine Frage der Zeit.”
    Kein
Wunder, dass Sam Angst vor einer Bindung hat, dachte Lucy. Kein Wunder, dass
er Probleme mit Beziehungen hat, die über das Körperliche hinausgehen. Ein
alkoholkranker Elternteil reichte schon, um eine Familie zu zerstören. Die Kinder
mussten immer auf der Hut sein, ständig mit Manipulation und Misshandlung fertigwerden.
Aber wenn beide Eltern tranken, dann waren sie nirgends in Sicherheit, konnten
niemandem vertrauen.
    „Angesichts
der Probleme deiner Eltern”, begann Lucy vorsichtig, „hast du dir da
keine Sorgen gemacht, dass es gefährlich sein könnte, ausgerechnet Wein
anzubauen und zu produzieren?”
    „Nicht im
Geringsten. Dass meine Eltern Trinker waren, heißt noch lange nicht, dass ich
keinen Wein lieben kann. Außerdem bin ich weniger Weinproduzent als Weinbauer.
Ich arbeite mit den Pflanzen.”
    Innerlich
amüsierte Lucy sich. Mit seiner lässigen Attraktivität und mit dieser dunklen
Pilotensonnenbrille auf der Nase sah Sam
ganz und gar nicht wie ein Bauer aus. „Was gefällt dir am meisten am
Weinanbau?”
    „Es ist
eine Mischung aus Wissenschaft, harter Arbeit ... und einem Hauch von
Magie.”
    „Magie”,
wiederholte Lucy und musterte ihn eindringlich.
    „Richtig.
Ein Winzer kann auf demselben Boden dieselben Reben anbauen, aber jedes Jahr
fällt der Wein anders aus. Geschmack und Duft der Beeren verraten, wie der
Boden zusammengesetzt ist, ob er genügend Sonne bekommen hat, wie kühl es in
den Nächten wurde, ob es ein trockenes oder regenreiches Jahr war. Der Wein
verrät auf einzigartige Weise die Lage und das Anbaujahr der Trauben. Die
Franzosen nennen das Terroir.”
    Für einen
Moment wurde ihre Unterhaltung unterbrochen, als die Serviererin den Hauptgang
brachte und ihre Wassergläser auffüllte. Sie aßen ohne Eile weiter, und Lucy
stellte fest, wie sie entspannte und das Ganze viel mehr genoss, als sie
erwartet hätte. Sam hatte eine Art, sich auf sein Gegenüber zu konzentrieren,
die ausgesprochen schmeichelhaft war, zumal für eine Frau mit angekratztem
Selbstbewusstsein. Er war aufgeweckt, selbstironisch und so charmant, dass er
sie mit Leichtigkeit in falscher Sicherheit hätte wiegen können.
    Aber sie
durfte nicht vergessen, dass er genau der Typ war, von dem sie sich leicht
überrumpeln ließ: Er konnte sich nehmen, was er wollte, und sie davon
überzeugen, dass sie genau das auch wollte. Er würde zulassen, dass sie sich
im Kreis drehte, die Zeit mit ihr genießen und sich anschließend der nächsten
Eroberung zuwenden, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Und sie konnte
sich dann nicht einmal beklagen, weil er sich nie als jemand anderes ausgegeben
hatte, als er war.
    Schließlich
brachte die Kellnerin die Rechnung, und Sam legte seine Hand auf Lucys, als sie
nach ihrer Handtasche griff. „Vergiss es”, sagte er und reichte der
Serviererin seine Kreditkarte.
    „Freunde können sich die Rechnung
teilen”, protestierte Lucy. „Das ist ein geringer Preis für das Vergnügen
deiner

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