Zebraland
gesammelt, damit Anouk das Tattoo nicht allein bezahlen muss. Anscheinend hat Anouk ihr das Geld bereits gegeben, denn Luzie hält einige Scheine in der Hand.
Hinter Luzie schlurft eine blasse und erschöpfte Anouk. Am rechten Handgelenk trägt sie einen Verband. Bei Phils Anblick bleibt sie abrupt stehen. Er ist aufgestanden und macht ein paar unsichere Schritte auf sie zu. »Ich weiß, ich sollte nicht herkommen, abe r …«
»Keine Sorge, ich hab’s gemacht. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat«, sagt sie leise. »Dass ich so ein Schwächling bin.«
Vielleicht liebt Phil sie ja gerade deswegen: weil er sich neben ihr so stark vorkommt. Manchmal frage ich mich, ob Anouk nur mit ihrer Schwäche kokettiert, sie dazu benutzt, andere Leute zu manipulieren.
»Abe r … aber das stimmt doch gar nicht. Du bist nicht schwach!«, ruft Phil ganz betroffen und schließt sie in die Arme. Und ich darf dieser melodramatischen Szene als Zuschauerin beiwohnen. Na danke, da wird mir ja gleich wieder schlecht. Ich will weggucken, aber ich kann nicht, ich bin wie in Bann geschlagen. Mein Herz pocht in der Brust wie eine entzündete Wunde.
Phil hat ihre Hand an seine Wange gelegt. »Du fühlst dich so warm an, Anouk«, sagt er leise. »So warm.«
Ziggy
Z: »Weißt du, wozu die Streifen von Zebras gut sind?«
E: »Hast du mir doch schon erklärt, Mohn. Tierischer Fingerabdruck und so. Falls das Zebra mal beim Klauen im Supermarkt erwischt wir d …«
Z: »Stimmt, aber ich meine Zebrastreifen im Allgemeinen. Nicht bei einem einzelnen Tier, sondern in der Masse.«
E: »Viele Fingerabdrücke?«
Z: »Falsch. Sie verschwimmen. Die Streifen verschwimmen, wenn die Zebras sich in der Herde bewegen. Das soll angreifende Raubtiere verwirren. Die können sich dann nicht mehr auf das einzelne Zebra konzentrieren, auf das sie’s abgesehen haben.«
E: »Weiß doch jeder, Mohn. Gemeinsam ist man stärker als allein.«
Es stimmt, eine Gruppe bietet Schutz. Nicht mehr Teil der Gruppe zu sein, unabhängig von Philipp, Judith und Anouk zu sein, gab mir aber auch ein Gefühl von Freiheit. Seit Tagen hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihnen gehabt. Ich wusste noch nicht mal, ob Anouk ihre Aufgabe inzwischen erfüllt hatte.
Vielleicht bedeutete raus aus der Gruppe zu sein ja auch, endlich raus zu sein aus diesem kranken Spiel, das Mose mit uns trieb?
Vielleicht würde Mose erkennen, dass ich nicht zu den anderen gehörte und mich verschonen?
Nach dem, was ich aus Yasmins Tagebuch über ihren Freund erfahren hatte, war ich mehr und mehr davon überzeugt, dass D. und Mose dieselbe Person sein mussten.
Es ist schön, geliebt zu werden, hatte Yasmin zuletzt in ihr Tagebuch geschrieben. Andererseits ist mir die Intensität seiner Gefühle manchmal fast ein bisschen unheimlich. Wo ist die Grenze zwischen Liebe und Besessenheit? Bei unserem Streit hatte ich das Gefühl, den Menschen, mit dem ich zusammen bin, gar nicht richtig zu kennen.
Morgen wollen wir zusammen am See spazieren gehen und noch mal über alles sprechen.
Hatten D. und Yasmin sich tatsächlich an ihrem Todestag am Baggersee getroffen? Was, wenn tatsächlich D. am Steuer des Wagens gesessen hatte, der nach dem Unfall an uns vorbeigefahren war?
Es war durchaus möglich, dass D. gesehen hatte, wie wir zum Mercedes geflüchtet waren, um uns zu verstecken. Vielleicht hatte er erst im Nachhinein geschlussfolgert, dass wir die Mörder seiner Freundin sein musste n … Alles in Yasmins Tagebuch deutete darauf hin, dass D. auch auf unsere Schule ging. Er könnte uns also erkannt habe n …
Im Kopf ging ich alle möglichen Kandidaten mit D. durch.
Sofort fiel mir dieses Schachass Daniel Solltau ein. Der hatte mich so sonderbar angestarrt, als er mich auf der Bank vorm Zebragehege getroffen hatte. Außerdem schien Daniel in der Gegend öfter mit seinem Hund spazieren zu gehen. Waren Yasmin und er bei dieser Gelegenheit ins Gespräch gekommen?
Doch natürlich konnte das D auch für einen Spitznamen stehen. Dann erweiterte sich der Kreis der Verdächtigen um Dumbo, dem ja eine besondere Vorliebe für Tattoos nachgesagt wurde. Und dann war da auch noch Philipps Lieblingsverdächtiger, dieser Carsten Döbli n …
Philipp war ein Arsch und ein Klugscheißer, klar. Aber manchmal war sein kühler Verstand echt hilfreich. Vielleicht sollte ich mit ihm über meinen Verdacht reden?
Doch am Ende siegte mein Stolz. Philipp hatte mich schließlich aus der Gruppe ausgeschlossen und mir
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