Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
Vom Netzwerk:
befohlen, mich zu verpissen. Auch wenn mir Anouk leidtat, ich würde bestimmt nicht den ersten Schritt machen.
    Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich wieder Lust, Gitarre zu spielen. Als ich die Saiten unter den Fingern spürte und die Akkorde schlug, hatte ich das Gefühl, endlich wieder mehr ich selbst zu sein. Ich übte Exodus von Old Bob. Ich glaube, der Titel hat irgendeine biblische Bedeutung, Auszug der alten Israeliten aus der Sklaverei oder so was. Old Bob hatte das aufgegriffen, weil die Rastafaris auf Jamaika auch davon träumen, in ihr gelobtes Land zurückzukehren. Nach Afrika. Dort, glauben sie, ist ihre wahre Heimat, weit weg von dem verdorbenen System Babylon.
    Ich hatte zwar keine Ahnung, was ich in Afrika sollte, aber weg wollte ich auch gerne. Irgendwohin, wo ich ganz neu anfangen könnte.
    Aber dann kam der Anruf.
    Vermutlich war es ein Entgegenkommen, dass Philipp dieses Mal nicht eines der Mädchen vorschickte, sondern sich persönlich bemühte: »Hallo, Ziggy?« Seine Stimme klang freundlicher als sonst. »Ich schätze, wir haben uns wohl beide nicht ganz korrekt verhalten.«
    »Hm.« Glaubte Philipp, damit wäre die Sache abgehakt? Aber anders als Anouk kam ich nicht beim ersten Wort von ihm schwanzwedelnd angesprungen wie ein Schoßhündchen! Wir schwiegen beide. Schließlich verlor ich gegen meine Neugier. »Hat Anouk es machen lassen? Das Tattoo, mein ich?«
    Ich hörte Philipp am anderen Ende zischend ausatmen: »Ja, hat sie.«
    »Als o … ich hab da so einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte«, sagte ich zögernd.
    Schon war Philipps alter Befehlston wieder da: »Was meinst du damit? Sag schon!«
    »In Yasmins Tagebuc h … h m … da hab ich gelesen, dass sie ’n Freund hatt e … namens D.«, druckste ich herum. Schließlich erzählte ich ihm von Daniel und seinem verdächtigen Verhalten.
    »Aber du weißt nicht mit Sicherheit, dass Daniel Mose ist, oder?«, fragte Philipp. »Und selbst wenn, was sollten wir tun?«
    »Na, ihn an den Eiern packen!«
    »Großartige Idee, Ziggy, ich bin dabei! Vielleicht kannst du das noch ein bisschen konkretisieren?« Philipps Stimme triefte vor Sarkasmus. »Sollen wir Daniels Hund entführen?«, schlug er vor. »Oder Kerim und Murad verraten, wer Yasmins Freund war? Ich wette mit dir, die sind auf D. weniger sauer als auf die Verantwortlichen für den Tod ihrer Schwester!«
    Philipp war auch sauer, aber diesmal nicht auf mich. Ich hatte das Gefühl, er wusste einfach nicht, wohin mit seinem Hass auf Mose und dem Frust, dass nichts gegen ihn zu machen war. »Glaub mir, Ziggy, ich hab mir stundenlang den Kopf über einen Gegenschlag zerbroche n … Alles würde uns nur noch tiefer in die Scheiße reiten.«
    »Aber wir müssen uns doch irgendwie wehren können!«, rief ich verzweifelt. »Schließlich sind wir zu viert und Mose ist allein!«
    »Stimmt«, gab Philipp zu. »Aber wir haben nichts gegen ihn in der Hand. Und um mal in deinen Worten zu sprechen: Mose hat uns an den Eiern.«
    »Uns bleibt also nichts anderes übrig, als weiter brav seine Aufgaben zu erfüllen?«
    »So sieht’s aus. Apropos Aufgabe n …«
    Ich ahnte Übles. Und ich behielt leider Recht.
    »Es gibt Neuigkeiten«, sagte Philipp und seufzte. »Du musst morgen Nachmittag bei mir vorbeikommen, Ziggy. Mose hat eine neue Aufgabe geschickt. Wir brauchen dich.«
    Nach dem Telefonat versuchte ich weiter Gitarre zu spielen, doch meine Freude daran war verpufft. Ich hatte es so satt, Moses Marionette zu sein. Ohne freien Willen, von unsichtbaren Fäden gelenkt.
    Mit aller Kraft schlug ich einen Akkord auf der Gitarre. Die D-Saite riss mit einem Knall und peitschte mir gegen die Wange. Es tat tierisch weh.
    In dieser Nacht träumte ich, ich sei auf der Suche nach dem Zebra. Keine Ahnung warum, ich wusste nur, dass es aus irgendeinem Grund irre wichtig war.
    Man sollte meinen, dass so ein Zebra selbst im Traum nicht allzu schwer zu finden ist. Schließlich ist so ein Tier doch ziemlich auffällig.
    Aber da war nicht nur ein Zebra in meinem Traum, da waren Tausende! Eine riesige Herde galoppierte an mir vorbei, ein nicht endender Strom von Leibern. Ihr Schwarz und Weiß wogte vor meinen Augen wie eines dieser 3-D-Bilder, von denen mir immer schlecht wurde.
    Und plötzlich kam das Schwarz auf mich zugeflossen, zäh wie heißer Teer. Es kroch an mir hoch, fesselte meine Arme, verschloss meinen Mund. Ich spürte, wie ich mich auflöste, mich verlor.
    Und Babylon verschlang

Weitere Kostenlose Bücher