Zebulon
Hafen erreichte. Als ein paar Straßen weiter eine Kanone donnerte, gefolgt von neuerlichen Gewehrschüssen, trat er durch die Eingangstür eines palastartigen dreistöckigen Hotels.
Die hohe, geräumige Lobby war leer bis auf ein gut gekleidetes Paar, das mit seiner Anmeldung beschäftigt war. Beide schienen nicht zu merken, was in der Stadt vor sich ging. Zebulon nahm sich eine Zeitung und setzte sich in einen Sessel. Er tat so, als würde er lesen, konnte aber die Augen nicht von der Frau lassen, die mit dem Rücken zu ihm am Empfang stand. Sie trug ein rotes Seidentuch um die Schultern, und ihr dichtes schwarzes Haar glänzte wie poliertes Ebenholz. Es war Delilah, die Frau aus der Bar in Panchito.
Vor dem Hotel sang ein Mann ein schwermütiges Lied von der Seele einer Frau, die niemand, nicht einmal der Liebhaber, den er besang, verstehen konnte. Es klang, als würde der Mann im Traum eines anderen ertrinken oder Selbstmord begehen.
Zebulon stand auf, obwohl er keine Ahnung hatte, wohin er gehen oder was er tun sollte. Er war schon halb aus der Tür, als Delilah nach ihm rief.
»Ich dachte, Sie wären tot.«
Ihre Augen hefteten sich auf den Colt, den er in einem Hüftholster trug, schwenkten dann auf das vierzig Zentimeter lange, an seinen rechten Oberschenkel geschnallte Bowiemesser, auf seinen schwarzen Sombrero und schließlich auf den hellblauen Sarape, der zur Farbe seiner erstaunten Augen passte.
»Anscheinend haben Sie sich wieder erholt«, sagte sie. »Gratuliere.«
Als er ein paar Schritte auf sie zuging, kreuzte sie die Hände vor ihren Brüsten.
Hilf mir
, besagte ihre Geste.
Und was immer du tust, bleib weg
.
So impulsiv, wie sie nach ihm gerufen hatte, wandte sie sich ab und ließ ihn stehen. Er richtete den Blick auf Ivan, ihren Begleiter, an den er sich von dem Kartenspiel in dem Saloon her erinnerte. Er trug einen weißen, flachkrempigen Filzhut schräg über einer Seite seines Gesichts und über den Schultern denselben schwarzen Umhang wie damals. Er stolzierte in handgenähten gelben Lederstiefeln in der Lobby auf und ab, stieß einen Gehstock mit silbernem Griff auf den Boden und räsonierte auf Spanisch laut über die Verfügbarkeit der Flitterwochen-Suite des Hotels, die er angeblich vor drei Wochen gebucht hatte. Der Angestellte warf die Hände in die Höhe und rief, dass die Reservierung nirgends verzeichnet sei.
Nada. Nada. Nada
. Eine solche Buchung habe es nie gegeben. Das einzige freie Zimmer sei im ersten Stock und gehe auf die Straße hinaus. Er könne es sich ja überlegen. Nehmen Sie’s, oder lassen Sie’s bleiben. Mehr könne er nicht sagen.
Zebulon ging wie von einem unsichtbaren Seil gezogen durch den Raum. »Geben Sie ihm, was er bestellt hat«, sagte er zu dem Angestellten. »Sonst kriegen Sie es mit einem
malo loco gringo
zu tun.
Comprende?«
Er packte den Angestellten am Kragen, hob ihn über die Theke und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann zog er seinen Colt, zielte auf den Kopf des Mannes und spannte den Hahn.
Der Angestellte gab den Schlüssel heraus und rief nach einem Boy, der
muy pronto
das Gepäck der Gäste in die Präsidentensuite hinauftragen solle.
Bevor der Boy herbeieilen konnte, gab Ivan den Schlüssel an Delilah weiter, die nach ihrer beherrschten Passivität zu urteilen nicht zum ersten Mal eine solche Situation erlebte.
Wortlos nahm sie zwei pralle Lederkoffer und schleppte sie die gewundene Treppe hinauf; zurück blieben eine Tasche und ein hölzerner Cellokasten.
Der Mann mit dem schwarzen Umhang verneigte sich vor Zebulon. »Wie ich sehe, haben Sie es doch geschafft, am Leben zu bleiben.« Er hielt inne und reichte ihm die Hand. »Graf Ivan Baranofsky. Es wäre mir eine große Ehre, wenn Sie mir auf ein Glas Gesellschaft leisten wollten.«
Zebulons Blick richtete sich auf die schlanken Fesseln und die langen, muskulösen Beine der Frau, die langsam die Treppe hinauf verschwanden.
»Ich nehme das Gepäck«, erbot er sich.
»Nicht nötig«, erwiderte der Graf. »Delilah ist sehr kräftig.«
Nach kurzem Zögern nahm Zebulon die Tasche und den Cellokasten und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
Er probierte alle Türen auf der Etage durch, bis er ihre Suite fand. Sie stand am Fenster und schaute auf den Hafen hinaus.
»Verfolgen Sie mich?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen. »Oder haben Sie den Eindruck, dass ich Sie verfolge?«
Ihre bloßen Schultern und die hohe, gebogene Linie ihres Nackens erinnerten
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