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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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Flammen zur Decke schickte.
    »Ein Hurra auf die Berge!«, rief Zebulon.
    Er riss dem Angestellten ein großes Goldnugget ab, das er an einer Schnur um den Hals trug.
    »Als Entschädigung«, sagte er.
    Dann packte er einen Axtstiel, stieß ein Regal mit Konserven um und warf eine Fensterscheibe ein, während um ihn herum die Kunden an sich rafften, was in Reichweite war, und zur Tür rannten.
    Zebulon fand Annie May zusammengesunken unter dem Tisch, mit einer Kugel in der Brust. Er nahm sie behutsam in die Arme, doch im nächsten Moment explodierte hinter ihnen ein Fass Petroleum, und die Decke stürzte ein, Fensterscheiben gingen zu Bruch, zwei Goldsucher starben, und das ganze Gebäude ging in Flammen auf.
    Zebulon trug Annie May ins Freie und legte sie auf die durchhängenden Bretter des Bürgersteigs. Neben ihnen hatten Männer eine Eimerkette gebildet und gossen Wasser in die Flammen.
    Annie Mays Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Hirsch ist Hirsch … Puma ist Puma, und diese alte Bergauster ist ein toter Waschbär. Ich hab dir das ein oder andre Mal Unrecht getan, Junge, genau wie du mir … aber das gibt’s in jeder Familie.« Sie setzte sich auf, wollte ihn ansehen, doch ihre Augen trübten sich. »Hab immer gedacht, ich würde mal auf die alte Art abtreten. Aufrecht und mit meinem eigenen Atem … Aber wir haben einen ganz schönen Wirbel gemacht in der Stadt hier, stimmt’s, mein Sohn?«
    »Und ob, Ma«, antwortete er.
    »Hab ich dir irgendwann mal gesagt, wie es zugegangen ist, dass Hatchet zu uns kam?«
    »Nein, nie«, erwiderte er, obwohl sie es ihm schon tausendmal erzählt hatte.
    »Pa hat ihn beim Pokern von einem Mex gewonnen, bei einem Rendezvous unten am Purgatory … Alles war im Pot, alles, was der Mex besaß – Fallen, Pferde, Felle, und als Zugabe auch noch der kleine Hatchet. War noch ein Zwerg damals, mehr nicht. Als Pa seine letzte Karte aufgedeckt hat, kam raus, dass er verloren hatte, und das hat ihn so in Rage gebracht, dass er den Mex abgestochen hat, dafür, dass er hatte sehen wollen. Pat hat Hatchet aus schlechtem Gewissen mitgenommen, und vielleicht auch, weil er dachte, er könnte noch einen Helfer gebrauchen. Mit Sklaven hat er’s schon immer gehabt, dein Pa …«
    Sie verstummte, und er dachte, sie sei gestorben, doch dann sprach sie wieder.
    »Bist du bei mir, mein Sohn?«
    »Ich bin hier, Ma.«
    »Na dann. Hatchet war ein komischer Junge. Hat ständig versucht, dich im Fluss zu ertränken. Und dann hast du dasselbe mit ihm probiert, nur um gleichzuziehen … Wenn du deinen Pa findest … sag ihm … Ach, hol’s der Teufel, sag ihm nichts. Der hat nie was für uns getan, uns immer nur Elend gebracht. Und jetzt hat er sich ganz verdrückt, ist unter die Goldsucher gegangen. Der alte Schwanzlutscher.«
    Sie schaute auf, ihre Augen flehten ihn an, sie nicht gehen zu lassen, und dann starb sie.
    Er saß da und hielt sie in den Armen, während die Wassereimer in der Kette hin und her wanderten. Als das Feuer gelöscht war, umzingelten ihn der Sheriff und der Besitzer des Handelspostens samt mehreren Angestellten mit gezogenen Pistolen. Einer der Angestellten hielt einen Strick mit einer Schlinge am Ende in der Hand.
    Als Zebulon hochgezerrt wurde, kam Hatchet Jack durch die Menge galoppiert, ein gesatteltes Pferd hinter sich herziehend.
    Schüsse fielen, doch bevor irgendeiner aufsitzen und ihnen nachreiten konnte, waren Zebulon und Hatchet Jack die Straße hinunter verschwunden.
    Zehn Meilen von der Stadt trennten sie sich. Zebulon wollte nach Mexiko, Hatchet Jack nach Kalifornien, wo er seinen Frieden mit Elijah zu machen hoffte.

A LS Z EBULON DIE H OCHWÜSTE erreicht hatte, zögerte er, dann ritt er zurück in die Berge. Zwei Tage später kam er mitten in der Nacht bei der Hütte an. Die Spielkarten seiner Mutter lagen noch ausgebreitet auf dem Tisch. Er nahm eine auf und schob sie wieder in den Stapel, ohne nachzusehen, ob es die Herzdame war. Was vorbei ist, ist vorbei, dachte er, zündete ihre Tonpfeife an und setzte sich an den Tisch. Und nichts davon kommt zurück. Kein Hurra mehr auf die Berge. Alles vorbei. Für immer vorbei.
    Da er im Haus nicht schlafen konnte, ging er hinaus und machte ein kleines Feuer. Als das erste Morgenlicht wie ein hungriges Raubtier über die Berge geschlichen kam, packte er einen brennenden Stock und warf ihn durch die offene Tür. Dann ging er um die brennende Hütte herum und rief seiner Mutter seinen letzten Trappergruß zu:

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