Zebulon
ihn an einen stelzenden Kranich.
»Ich verfolge das, was ich jage«, antwortete er.
»Also sehen Sie in mir ein Tier?«
»Ich wollte nur behilflich sein.«
»Dabei lassen Sie es nicht bewenden.« Sie hielt ihn in ihrem Blick gefangen, dann ging sie zum Bett hinüber und öffnete die Schnallen eines handgenähten Lederkoffers.
»Würde es Sie erheitern zu hören, dass ich Expertin bin, wenn es darum geht, wilde Tiere einzufangen?« Sie entnahm dem Koffer eine Rassel und schüttelte sie, umkreiste ihn mit rollenden Augen und stieß dabei einen pulsierenden Gesang aus, der aus der Tiefe ihres Brustkorbs zu kommen schien.
»Ich mag es nicht, wenn ich umkreist werde«, sagte er warnend. »Wenn ich in der Falle sitze, fühle ich …«
»Ich weiß«, sagte sie. »Sie sind gefährlich.«
Sie lachte, schüttelte die Rassel dicht vor seinem Gesicht und warf sie dann aufs Bett.
»Wenn Sie nicht in die Lobby zurückgehen, wird Ivan heraufkommen und Sie erschießen. Dafür ist er berühmt.«
»Mit Ivan werde ich schon fertig«, sagte er.
»Sind Sie sicher?« Ihre Frage schien sich genauso an sie selbst wie an ihn zu richten.
Da ihm keine Antwort einfiel, zuckte er die Achseln und ging aus dem Zimmer.
Graf Baranofsky wartete in der Lobby auf ihn. Er fasste ihn am Arm, führte ihn in die Cantina des Hotels und bestellte an der Bar eine Runde Whiskey. Als die Drinks kamen, hob der Graf sein Glas auf Mexiko, die Vereinigten Staaten, den nagelneuen Staat Kalifornien und schließlich Russland – doch nicht auf den Zaren, der, wie er stolz hervorhob, eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt habe. Dann fragte er, ob Zebulon hier in Veracruz ansässig sei.
»Auf der Durchreise«, erwiderte Zebulon.
»Genau wie wir«, sagte der Graf. »Gott sei Dank ist unser Schiff angekommen. Wir hatten es schon vor sechs Wochen erwartet.«
Zebulon griff nach einem Teller mit gebratenem Tintenfisch und Käse-Enchiladas. »Die Frau, mit der Sie zusammen sind –«
»Sie ist meine Bedienerin«, sagte Ivan. »Oder Gefährtin, je nach den Umständen und dem kulturellen Gesichtspunkt, den man hat. Wir waren auf dem Landweg nach Kalifornien unterwegs, doch als wir in Denver eingetroffen sind und einem harten Winter entgegensahen, beschlossen wir, eine Postkutsche nach Mexiko zu nehmen und um Südamerika herum nach Kalifornien zu segeln. Wir hatten uns auf eine Ruhepause in Veracruz gefreut, die jedoch so lange nicht hätte dauern sollen.«
»Und wie ist es Ihnen während dieser Pause ergangen?«, erkundigte sich Zebulon.
»Ganz fürchterlich. Dieses ist unser drittes Hotel. Jedes noch frustrierender als das vorhergehende. Mürrische Bedienung. Noch schlechteres Essen. Moskitos. Fliegen. Bettwanzen. Doch trotz dieser Unannehmlichkeiten hat die Stadt durchaus ihre schwülen Reize; auch wenn es, wie wir nur allzu bald erfahren mussten, eine Stadt der unangenehmen Überraschungen und der Gewalt ist.«
Der Graf seufzte, dankbar für die Gelegenheit, sich mit einem Fremden unterhalten zu können, den er nie wiedersehen würde. Pedantisch genau beschrieb er ihre Reise von Venedig nach New York, einschließlich der Seitenstraßen von Algier, der Restaurants von Málaga und Lissabon und schließlich der körperlichen Strapazen der Reise auf dem Landweg nach Denver – einer Reise, auf der sie bei der Überquerung des Mississippi um ein Haar ertrunken wären, als sie von Comanche angegriffen wurden, und in einer Kneipenschlägerei in New Mexico nur knapp dem Tode entronnen waren.
Der Graf zögerte, unsicher, wie viel er preisgeben sollte. »Ein Vorfall, wie ich hinzufügen könnte, den Sie zu provozieren nicht abgeneigt waren.«
»Ich erinnere mich nicht, was da lief«, sagte Zebulon. »Ich war in einem Schlangennest gefangen.«
»Als Sie sich an den Tisch setzten, haben Sie ganz offensichtlich Streit gesucht. Ich war allerdings mächtig betrunken. Dann sind wir gleich mit der Postkutsche weitergefahren, sodass ich nicht feststellen konnte, was sonst noch geschah.«
»Sie nennen sie Delilah?«, fragte Zebulon.
»Ein biblischer Name. Ihr richtiger Name ist zu schwer auszusprechen, irgend so ein ostafrikanisches Gebrabbel. Ich habe sie in Paris kennengelernt, wo sie das Pech hatte, Magd eines französischen Offiziers zu sein. Sie ist teils französischer, teils abessinischer Abkunft, mit dem einen oder anderen Spritzer Babylon, Ägypten und weiß der Himmel was noch. Ich wäre ohne sie verloren. Zum Glück konnte ich ihren Besitzer aus gewissen
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