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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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worden war, und bei ihrer Rückkehr nach Calabasas Springs waren sie so aufgebracht wie an dem Tag, als sie zum ersten Mal in die Stadt gekommen waren.
    Beim Prozess war der Saal von Anfang an brechend voll, vor allem wegen Artemis Stebbins’ Artikel auf der ersten Seite des
San Francisco Star
, in dem er von der Gefangennahme des berühmten Gesetzlosen berichtet hatte. Die Verhöre und Kreuzverhöre kamen in der ersten Woche nur schleppend voran, da alle, einschließlich der Richter, sich vordringlich mit den Gerüchten um einen riesigen Goldfund am Feather befassten. Trotz dieser Ablenkung, in deren Folge sich die Stadt bereits halb geleert hatte, waren nicht einmal mehr Stehplätze zu bekommen, als der Bezirksstaatsanwalt, ein stattlicher einarmiger Mann, der sich Hoffnungen auf einen Sitz im Senat machte, vor die Geschworenen hintrat, um seine zusammenfassende Darstellung abzugeben:
    »Die Geschichte ist ganz einfach, Leute. Zebulon ist zu Pferd nach Calabasas Springs gekommen und hat sich als
alcalde
ausgegeben, als ein im Auftrag des Gouverneurs handelnder Jurist. Seine eigentliche Absicht war es jedoch, bei der Befreiung von Graf Ivan Baranofsky, einem verurteilten Mörder, Mithilfe zu leisten. Am Abend seiner Ankunft brach in der Stadt die Hölle los. Am nächsten Morgen lagen auf der Hauptstraße von Calabasas Springs die Leichen von fünf Männern und zwei Frauen. Meine Herren Geschworenen, ich möchte Ihnen Folgendes vor Augen führen: Sollte Zebulon nicht für dieses schändliche Verbrechen bestraft werden, wird Anarchie über Gesetz und Ordnung triumphiert haben.«
    Der Vortrag des Bezirksstaatsanwalts wurde von einem Sperling unterbrochen, der durch ein Fenster hereingeflogen kam. Der Vogel schwirrte im Kreis umher, über den Köpfen der Menge, darunter auch Delilah und Hatchet Jack, die in der letzten Reihe saßen, und Stebbins, der sich nah der Tür auf einem Klappstuhl niedergelassen hatte.
    Nach einer weiteren hysterischen Runde durch den Saal landete der Sperling schließlich auf Zebulons ausgestreckter Hand.
    Zebulon sah erst Delilah an, dann Hatchet Jack und schloss langsam die Finger um den zitternden Vogel.
    »Den einen Moment ist ein Mann frei wie ein Vogel«, sagte er in den Saal, »dann wird er eingefangen. Dann ist er wieder frei.«
    Er öffnete die Hand und ließ den Sperling frei. Der Vogel flog panisch hin und her, bis er schließlich mit Unterstützung einiger Männer, die mit ihren Jacken wedelten, durch ein offenes Fenster hinausfand.
    Alle im Saal, mit Ausnahme Delilahs, klatschten und trampelten mit den Füßen, bis der Richter mit seinem Hammer auf den Tisch schlug und Ruhe verlangte.
    Als die Ordnung wiederhergestellt war, fuhr der Bezirksstaatsanwalt fort: »Meine Herren Geschworenen, Gewitterwolken brauen sich über dem Horizont zusammen. Das große, noble Abenteuer unseres Landes steht auf dem Spiel, und ich fürchte um unsere Sicherheit, wenn nicht sogar um unsere Zukunft. Gelingt es uns nicht, die Reinheit unserer Heimat vor Gesetzlosen, Banditen und entlaufenen Sklaven zu schützen und sie vor dem Ansturm von Ausländern zu bewahren, die unser geheiligtes Erbe schänden und plündern wollen, dann ist das unser aller Schuld. Deshalb beschwöre ich Sie mit allem mir zu Gebote stehenden Ernst –«
    Er wurde von einem Betrunkenen unterbrochen, der mit einem Pistolengurt über langen Unterhosen in den Gerichtssaal getorkelt kam und verkündete, dass Goldsucher am Feather auf eine Hauptader gestoßen seien, die größte in der Geschichte Kaliforniens.
    Nachdem fast alle, einschließlich des Verteidigers, aus dem Saal gestürmt waren, trug der Richter den Geschworenen auf, innerhalb einer Stunde zu einem Beschluss zu kommen, sonst sehe er sich gezwungen, die Verhandlung zu vertagen.
    Fünf Minuten später hatten die Geschworenen ihr Urteil gefällt: Zebulon Shook sei des Totschlags schuldig. Der Richter verurteilte ihn zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit, und Zebulon wurde von zwei Hilfssheriffs in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt. Er blieb vor Hatchet Jack stehen, der an der Tür wartete, hinter ihm Delilah.
    »Ich kümmer mich um sie«, sagte Hatchet Jack, »auf die eine oder andere Art.«
    Bevor Zebulon antworten konnte, stieß der Hilfssheriff ihn durch die Tür und führte ihn die Treppe des Gerichtsgebäudes hinab.

I M STÄDTISCHEN G EFÄNGNIS teilte ein Angestellter Zebulon eine Häftlingsnummer zu und füllte dann ein Formular mit Namen, Staatsangehörigkeit, Beruf

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