Zebulon

Sünde, im Gebet gestört zu werden, zumal in dieser geheiligten Zeit des Jahres.«
    Als mehrere der Australier murrten, gebot Don Luis ihnen mit erhobener Hand Schweigen.
    »Welches Verbrechen hat diese Frau begangen?«
    »Sie hat das Gesetz gebrochen«, erwiderte einer der australischen Ex-Sträflinge.
    »Wessen Gesetz?«
    »Unser Gesetz«, sagte ein anderer Australier. »Das einzige, das zählt. Sie hat uns ohne Grund mit ihrer Peitsche geschlagen. Die Frau ist eine Sklavin und eine Hure. Muss irgendjemand noch mehr wissen?«
    Don Luis wandte sich an Delilah. »Was haben Sie auf diese Beschuldigung zu erwidern?«
    Delilah straffte ihre Schultern und zeigte auf ihren Ankläger. »Als ich in die Stadt geritten kam, ergriff dieser Mann die Zügel meines Pferdes und verlangte von mir, mit ihm einen Akt körperlicher Liebe zu vollziehen. Er behandelte mich wie eine Prostituierte, also schlug ich ihn mit meiner Peitsche, und ich würde es jederzeit wieder tun. Es lag nicht in meiner Absicht, und auch nicht in der meiner Gefährten, böses Blut zu machen. Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen.«
    »Und was wären das für Angelegenheiten?«, erkundigte sich Don Luis.
    »Dem Tod meines Ehemanns beizuwohnen, Graf Ivan Baranofsky, der, wie Ihnen sicher zu Ohren gekommen ist, zu Unrecht zum Tod durch den Strang verurteilt wurde.«
    Don Luis wandte sich wieder den Australiern zu. »Sie befinden sich in einem traurigen Irrtum, wenn Sie glauben, Sie könnten in diese Stadt geritten kommen wie betrunkene Vigilanten aus San Francisco und jede Freveltat begehen, nach der Ihnen der Sinn steht. Es ist eine Sache, das Land in obsessiver Gier nach Gold zu vergewaltigen und auszuplündern – einer Gier, die, so könnte ich hinzufügen, schon bald ins Leere laufen wird –, aber eine ganz andere, eine Frau zu schänden, gleichgültig, welcher Hautfarbe oder welchen Bekenntnisses. Diese Frau hat ihre Ehre verteidigt. Und Sie, Sir, haben offensichtlich kein Ehrgefühl.«
    Erschöpft ließ sich Don Luis in seinen Sessel zurücksinken.
    Die Einheimischen drängten sich mit den Chilenen und Peruanern nach vorn, um ihr Einverständnis zu bekunden. Einen Moment lang schien es, als würde es zu Handgreiflichkeiten kommen, doch die
caballeros
wichen nicht von der Stelle, sondern richteten ihre Gewehre auf die Australier, während Zebulon und Hatchet Jack Delilahs Kopf aus der Schlinge befreiten und ihr von dem Stuhl herunterhalfen.
    Don Luis seufzte. »Es wird in Calabasas Springs nur eine Hinrichtung durch den Strang geben, und diese wird übermorgen um sechs Uhr abends stattfinden. Meiner Ansicht nach ist es ein unglückliches Urteil. Aber Gesetz ist Gesetz, gleichgültig, ob man einverstanden ist oder nicht.«
    Ein angelsächsischer Goldsucher trat vor.
    »Sie sollten eines wissen, alter Mann. Es strömen neue Menschen in die Stadt, um nicht zu sagen, in diesen Teil des Landes – Einwanderer, Geschäftsleute, Gauner, Menschen aller Art, da können Sie sicher sein. Tag für Tag rollen sie heran. Sie sind nicht aufzuhalten, und keinen von ihnen schert es, was Sie denken. Die alten Zeiten, in denen Ihre Leute hier das Sagen hatten, sind vorbei. Sie halten sich am besten aus allem raus.«
    »Da widerspreche ich Ihnen nicht«, sagte Don Luis. »Es ist nur allzu wahr, dass dieses Land eine Invasion von Barbaren erlebt, die uns nichts zu bieten haben als eigensüchtigen Ehrgeiz und Gier. Aber lassen Sie sich eines gesagt sein: Sollten meine Männer Sie oder einen Ihrer Gefährten jemals wieder in Calabasas Springs sehen, und sei es auch nur ein einziges Mal, werden sie Sie wie räudige Hunde erschießen.«
    Don Luis’ Kinn sank auf seine Brust. Niemand konnte wissen, ob er noch atmete, bis er eine klauenartige Hand hob und die vier
caballeros
ihn in der Sänfte aufnahmen und zu einer wartenden Kutsche trugen.
    Bevor die Kutsche losfuhr, kam einer der
caballeros
zu Delilah zurückgeritten. »Don Luis bittet Sie und Ihre Freunde, ihm auf seiner Ranch Gesellschaft zu leisten. Es wird ihm ein Vergnügen sein, Sie über Nacht zu beherbergen.«
    »Macht nur«, sagte Hatchet Jack. »Ich leg mich mal eine Weile aufs Ohr, und dann sehe ich zu, dass ich diese Stadt und alles darin hinter mir lasse.«
    Er sah Delilah an. »Dich und deinen Grafen inklusive.«
    Als die Kutsche fort war, wurden Zebulon und Delilah zu Don Luis’
hacienda
eskortiert. Keiner der zurückgebliebenen Goldgräber glaubte Hatchet Jack, dass Zebulon ein
alcalde
sei. Einige hatten