Zebulon
sogar den Verdacht, es handle sich bei ihm um den Gesetzlosen Zebulon Shook, über den kürzlich etwas im
San Francisco Star
gestanden hatte. Und falls das zutraf, musste eine Belohnung auf seine Festnahme ausgesetzt sein, ebenso auf die seiner abessinischen Hure.
D URCH EIN KUNSTVOLL geschmiedetes Tor gelangten sie auf Don Luis’ Anwesen, wo sie ein Wachhaus, Gerberfässer, eine Schmiede, mehrere Räucherhäuser, ein Schlachthaus und fünf gemauerte Backöfen passierten. Ein Stück weiter überragte ein zwölf Meter hoher Uhrturm das Ende eines verwilderten Gartens, dessen bröckelnde Lehmmauern von blühenden Bougainvilleen überwuchert waren. Auf der anderen Seite des Gartens führte eine stattliche lange Kolonnade zu einem imposanten zweistöckigen spanischen Ranchhaus aus Lehmziegeln mit einem roten Ziegeldach und Fenstern mit hölzernen Läden, von denen die meisten dringend reparaturbedürftig waren.
Ein
vaquero
brachte ihre Pferde in einen Stall, und ein gebeugter weißhaariger Diener führte sie durch eine massive geschnitzte Holztür in eine großzügige, von Kronleuchtern erhellte
entrada
. An deren Ende betraten sie eine Bibliothek.
Trotz der in dem mächtigen Kamin lodernden Scheite herrschte eine düstere Atmosphäre in dem muffigen hohen Raum mit seinen rissigen, abblätternden Wänden, die von übervollen Bücherregalen und Bildnissen spanischer Höflinge von Velázquez und Goya gesäumt waren. Ein Wandgemälde feierte die Eroberung Mexikos durch den
Conquistador
.
Don Luis saß vor dem Kamin in der Mitte eines tiefen Ledersofas, sein schwacher Körper war unter einem wärmenden Bisonfell nur zu erahnen. Hinter ihm in einer Ecke stand ein dreibeiniges französisches Klavichord vor einer Sammlung von Lauten, Mandolinen und Gitarren, die allesamt mit Drähten an den Wänden aufgehängt waren.
Sie nahmen Don Luis gegenüber in einer Reihe von Sesseln Platz und tranken einen trockenen Rotwein aus seinem Weinberg. Nachdem sie eine Stunde darauf gewartet hatten, dass Don Luis das Wort ergreifen würde, brach Zebulon endlich das Schweigen. »Vielleicht ist das nicht der richtige Zeitpunkt, Ihre Ruhe zu stören, Don Luis. Wir können Ihnen auch an einem anderen Tag unsere Aufwartung machen.«
»In diesen dunklen Zeiten ist jeder Augenblick kostbar«, erwiderte Don Luis. »Wer immer Sie beide sind, wohin immer Sie gehen werden, für diese eine Nacht:
mi casa, su casa
. Ich bin untröstlich darüber, dass Calabasas Springs, eine Stadt, der sich meine Familie seit neun Generationen voller Stolz verbunden fühlt, in einen Zustand der Anarchie und der Barbarei eingetreten ist. In früheren Jahren pflegte sich die ganze Stadt auf dieser Ranch zu versammeln, um den Ostersonntag zu feiern, doch nun … Vergeben Sie einem alten Mann, dass er über die Verheerungen der Zeitläufte räsoniert. Doch erlauben Sie mir, Ihnen diese Frage zu stellen: Was geschieht mit diesem Land? Warum wird es vergewaltigt, geschändet und ausgeplündert? Freilich, wie sollte einer von Ihnen die Antwort auf eine solche Frage kennen? Sie sind offenkundig fremd hier und noch tiefer darüber verwundert, wie dieses Land, das sich stets selbst ernährt hat und seinen eigenen Angelegenheiten nachgegangen ist, nun auf einmal … ich weiß nicht, Gott helfe mir, es ist nachgerade bereits verschwunden.«
Er richtete den Blick auf Delilah. »Ist es wahr, was diese Wilden dort auf dem Stadtplatz behauptet haben: dass Sie nichts weiter als eine ehrgeizige Sklavin seien, die vor nichts Halt macht, um ihre Ziele zu erreichen?«
»Vielleicht gab es eine Zeit, in der man diesen Eindruck von mir gewinnen konnte«, erwiderte sie. »Und sicher stimmte es für eine kurze Periode in Afrika, obwohl das mehr den Umständen als meinem Charakter geschuldet war. Doch seit Graf Baranofsky mir in jungen Jahren antrug, seine Gefährtin und schließlich seine Gattin zu werden, war ich jedes Strebens nach dem bloßen Überleben enthoben. Er sorgte auch für meine Ausbildung in vielen Hauptstädten Europas. Für diese außerordentliche Großzügigkeit werde ich ihm immer dankbar sein.«
Don Luis nickte, beeindruckt von Delilahs Sprache und Distinguiertheit. »Eine noble Tradition, die der Gefährtin«, sagte er wehmütig, »eine, der auch ich von Zeit zu Zeit meine Reverenz erwiesen habe, auch um den Preis, mich zum Narren zu machen – doch das ist eine andere Geschichte.«
»Sie hat gewiss ihre Vor- und Nachteile«, sagte Delilah. »Für beide
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