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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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in dem Tal immer noch Gold zu finden sei und dass schon bald andere kommen würden, um ihr Glück zu versuchen. Sie beschlossen, weiterzumachen und zu verteidigen, was sie hatten, wiederaufzubauen, was von ihren Hütten noch übrig war, ihre Claims auszubeuten und sich dann beizeiten abzusetzen.
    Die Mexikaner ihrerseits beschlossen, über die Grenze zurückzugehen, bis auf einen jungen Obstbauern aus Chiapas, der unbedingt Plaxico finden wollte, weil er überzeugt war, dass der alte
brujo
in die Zukunft sehen und ihm den Weg zu einer dicken Goldader weisen konnte oder wenigstens zu einem so großen Fund, dass er sich davon noch eine Obstfarm südlich der Grenze würde kaufen können.
    Die am Leben gebliebenen Chinesen brachen nach San Francisco auf, wo sie durch Lohnarbeit so viel verdienen wollten, dass sie die Heimreise nach China bezahlen oder sich jedenfalls künftig vom Goldrausch und seinen Folgen fernhalten konnten.

H ATCHET J ACK FÜHRTE Z EBULON und die anderen zur Küste, wobei sie Redding und Plumas City umgingen und auch dem Applegate Trail mit seinen neuen Siedlungen und Goldgräberlagern auswichen. Drei Tage später überquerten sie den Feather, ritten genau in westlicher Richtung weiter und passierten in der Abenddämmerung den Mount Shasta, dessen verschneiter Kegel durch leuchtende Schichten melancholischer Wolken kaum auszumachen war.
    Am nächsten Morgen stießen sie auf tief eingegrabene Wagenspuren und dann auf diverse Haushaltsgegenstände – eine zerschmetterte Chippendale-Kommode, eine Ledercouch, kaputte Stühle und zerbrochenes Porzellan, aus einer Bibel herausgerissene Seiten, ein Klavier und verschiedene landwirtschaftliche und Bergbau-Geräte –, allesamt über eine Wiese verstreut. Das aufgeschlitzte Bildnis eines puritanischen Geistlichen und seiner nicht minder streng dreinblickenden Gattin lehnte an einem Wagenrad, nicht weit von den verstümmelten Leichen von fünf Männern und Frauen. Ein Stück weiter oben lag, halb im hohen Gras verborgen, ein kleines Mädchen mit einer Stoffpuppe in den Armen breitbeinig auf einer schwarzen Frau, die ein zerfetztes hochgeschlossenes Kattunkleid trug. Beide waren tot.
    Hinter ihnen ließ sich eine Stimme vernehmen: »Wahnsinnig. Alle wahnsinnig. Der Direktor und seine fröhliche Schar von Irren.«
    Stebbins kam unter einem Wagen hervorgekrochen und brach vor Delilahs Füßen zusammen. Er spuckte dicke Klumpen Blut.
    »Die haben die Frau für Sie gehalten und schon von weitem das Feuer eröffnet. Ich hab ihnen gesagt … ich hab ihnen gesagt … dass sie sich irren, aber sie haben sie trotzdem erschossen. Dann hat einer auf mich geschossen.«
    Delilah hielt Stebbins in den Armen, bis er nicht mehr atmete. Dann legte sie ihn auf die Erde, ging zu dem toten Mädchen hinüber, nahm ihr die Puppe aus den Händen und wanderte in das hohe Gras.
    Zebulon und Hatchet Jack fanden sie auf der Erde sitzen. Sie wiegte die Puppe in den Armen. Als sie zu singen anfing, zogen dunkle Wolken langsam über sie hinweg wie ein einsames Trauergefolge:
    Once I had two sweethearts
    And now I have none
,
    They’ve both gone and left me
    To sorrow and moan
.
    Last night in sweet slumber
    I dreamed I did see
    My two precious jewels
    Still smiling at me
.
    But when I awakened
    And found it not so
,
    My eyes like some fountain
    With tears overflowed
.
    I walked across America
,
    From Africa to Spain;
    And now all that is left
    Is a child’s broken doll
    To be cast on the watery main
.
    Nachdem sie Stebbins und die Goldsucher begraben hatten, ritten sie ein paar Kilometer in die Abenddämmerung hinein und machten dann ein kleines Lagerfeuer. Keiner aß oder sagte etwas. In der Nacht schliefen sie alle zusammen, Hatchet Jack und Zebulon rechts und links von Delilah, Large Marge eng an den mexikanischen Obstbauern geschmiegt.
    Im Morgengrauen brachen sie wieder auf, ermuntert von einer warmen Brise, die das Meer ahnen ließ. Als sie den Goose Lake erreichten, eine weite, spiegelglatte Fläche eisblauen Wassers, entledigten sie sich ihrer Kleider und wateten in das kalte Nass, planschten und schwenkten die Arme wie Kinder.
    An diesem Abend gaben sich alle hektischen Beschäftigungen hin, als wollten sie sich vor unbekannten Gefahren schützen.
    Large Marge bereitete eine Mahlzeit aus Keksen und Pferdefleisch zu, Delilah führte unterdessen die Pferde zum See und rieb sie mit nassem Gras ab. Der Mexikaner setzte sich auf einen Stein und angelte mit einem Haken, den er sich

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