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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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nicht gewollt, und sie auch nicht, so einfach ist das.«
    Sie zogen das Kanu aufs Ufer und gingen am Fluss entlang Richtung Lager, als Zebulon stehenblieb.
    Ohne Vorwarnung versetzte er Hatchet Jack einen Kinnhaken und einen Schlag in die Magengrube und stieß ihn in den See.
    »Das war dafür, dass du von dem ganzen Mist angefangen und die Sache mit Delilah noch schlimmer gemacht hast. Dass ich dich in den See gestoßen hab, war nur um der alten Zeiten willen.«
    Hatchet Jack stieg aus dem Wasser und zielte mit dem Colt auf Zebulons Kopf.
    Zebulon breitete lächelnd die Arme aus. »Nur zu. Schau mal, ob der Colt auch funktioniert, wenn er nass ist. Verpass mir eine. Du würdest mir damit einen Gefallen tun, zum ersten Mal in deinem Leben.«
    Als Hatchet Jack abdrückte, ging der Revolver nicht los.
    Er ließ ihn fallen und zwang Zebulon mit einem bösartigen Schlag an den Kopf in die Knie.
    Sie prügelten aufeinander ein, und keiner gab nach, bis Hatchet Jack Zebulon in den See zog und seinen Kopf mit beiden Händen unter Wasser drückte.
    Zebulon wusste, dass es irgendwann so enden würde, mit seinem Kopf unter Wasser, so wie Hatchet ihn erledigen wollte, als sie noch Kinder waren – was er allerdings auch seinerseits mit Hatchet nicht nur einmal probiert hatte.
    Dann wurde sein Kopf an die Oberfläche gerissen, und Hatchet Jack überließ es ihm, sich aus eigener Kraft ans Ufer zu schleppen.
    Als sie ins Lager zurückwankten, bereiteten der Mexikaner und Large Marge eine riesige Menge Forellen zu.
    »Wir haben ein Kanu gefunden«, erklärte Hatchet Jack. »Wir waren draußen auf dem See, und das Kanu ist gesunken. Es hat eine Weile gedauert, bis wir wieder an Land waren.«
    »Glaub ich dir aufs Wort«, sagte Large Marge mit einem Blick auf ihre geschwollenen Gesichter.
    »Wo ist Delilah?«, wollte Zebulon wissen.
    Large Marge zuckte die Achseln. »Ist sie nicht bei euch?«
    Wortlos gingen Zebulon und Hatchet Jack zum See zurück.
    Sie standen bis zum Bauch im Wasser und riefen immer wieder Delilahs Namen, doch die Antwort war nur undurchdringliche, unversöhnliche Stille.
    Am nächsten Morgen war Delilah immer noch verschwunden. Hatchet Jack und Zebulon suchten rings um den See, Large Marge und der Mexikaner ritten in den Wald, hielten in kurzen Abständen an und riefen nach ihr.
    Bis zum Abend des folgenden Tages hatten alle aufgegeben, nur Zebulon nicht. Er ritt landeinwärts, denselben Weg, den sie gekommen waren. Als er immer noch keine Spur von Delilah fand, beschloss er, nach San Francisco zu reiten, weil sie womöglich in Lus Dream Palace zurückgekehrt war. Doch nach ein paar Kilometern wurde ihm klar, dass es hoffnungslos war, und er kehrte um.
    Als Delilah tags darauf wiederkam, saßen sie um das Lagerfeuer und aßen Kanincheneintopf. Ihre Kleider waren zerrissen, Gesicht und Hals voller blutiger Striemen und Kratzer. Sie ließ sich neben Large Marge auf die Erde sinken und legte ihr die goldene Rubin-Kette in den Schoß.
    »Vielleicht bringt sie dir mehr Glück als mir«, sagte sie und wandte ihnen den Rücken zu.
    Sie sagte nicht, wo sie gewesen war, und es fragte sie auch keiner danach.

H UNDERTFÜNFZIG K ILOMETER vor der Küste nahm der Himmel eine unheilverkündende schiefergraue Färbung an, und ein nicht enden wollender Dauerregen setzte ein. Die Stimmung wurde so mies, dass sie weder miteinander reden noch einander auch nur ansehen konnten. In der dritten Regennacht kam der mexikanische Obstbauer zu dem Schluss, dass er sich den falschen Leuten angeschlossen hatte, und brach mit einem Pferd, zwei Gewehren und einer Decke Richtung mexikanische Grenze auf. Als Large Marge auf ihn schießen wollte, explodierte der mit Lehm verkrustete Lauf ihrer Pistole und hinterließ Verbrennungen auf ihrer Brust und in ihrem Gesicht. Obwohl er sie bestohlen hatte, erwies sich sein Abgang als günstiges Vorzeichen. Als wäre ein Fluch aufgehoben worden, hörte der Regen plötzlich auf, und am Himmel explodierte ein Feuerwerk bunter Nordlichter.
    Bei Tagesanbruch durchquerten sie ein mit Zypressen und Erlen bestandenes Tal. In der Ferne hoben sich riesige Mammutbäume wie Kathedralen vom Horizont ab.
    Als sie sich dem Wald näherten, der inzwischen hinter dichten Nebelschwaden kaum noch zu sehen war, sprang Hatchet Jack vom Pferd, ließ sich zu Boden fallen und streckte beide Arme nach den Bäumen aus.
    »Hört mich an, Waldgeister«, rief er. »Wir sind ein Haufen lahmer Narren. Und nicht nur das: Für uns

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