ZECKENALARM IM KARPFENLAND
„Der Tag der Franken hebt die Bedeutung des Frankenlandes und die seiner Bewohner hervor. Strittig war bis zuletzt, ob die rot-weiße fränkische Fahne gehisst werden darf, obwohl die weiß-blaue bayerische Rautenfahne die offizielle ist.“ „Bayern-Grübbl, elendiche!“, murmelte die Kunni während des Lesens. „Aber es wurde ein Schlupfloch gefunden“, las sie weiter, „und der Frankenrechen darf in diesem Jahr für Werbezwecke bezüglich des Frankentages aufgehängt werden. Der Tag der Franken wird an einem historischen Tag begangen. Am 2. Juli 1500 wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen in insgesamt sechs Bezirke eingeteilt. Einer dieser Bezirke umfasste die Regionen um Bamberg, Eichstätt, Würzburg, Kulmbach und Ansbach, sowie die Reichsstädte Schweinfurt, Nürnberg, Windsheim, Weißenburg und Rothenburg. Diese Einteilung gilt heute als die Geburtsstunde des Frankenlandes.“
„Genau!“, merkte die Kunni an. „Was ham mier Frangn mid die bayrischn Hundsgrübbl zu du, außer dass mier frängischn Bleedl immer nu a Haufn Schdeiern nach Münchn ieberweisn missn?“
Plötzlich zuckte sie erschrocken zusammen. Draußen auf der Kirchgasse trötete eine Vuvuzela und jemand schwenkte eine überdimensionale Frankenfahne. Die Gartentür knarzte ächzend. Kurz darauf schwebte ein überdimensionaler Frankenrechen an ihrem Küchenfenster vorbei. Keine fünf Sekunden später klingelte die Hausglocke Sturm. „Was sen denn dees fier Debbn? Frieh um halba neina leidn die wie die Verrüggdn!“ Kunni war stinksauer. Sie konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn sie bei der Lektüre ihrer geliebten Tageszeitung gestört wurde. Schnell warf sie sich einen Bademantel über ihr knöchellanges Nachthemd und schlurfte zur Haustür.
„Ja sachd amol…“ Weiter kam sie nicht, als sie die Tür öffnete. Ein schrilles, nervtötendes Tröten aus einer feuerroten Vuvuzela fuhr ihr wie ein Schock schmerzhaft in die Gehörgänge. Eine riesige Frankenfahne wedelte vor ihrem Gesicht herum und riss ihr fast die Brille von der Nase. Hinter dem roten Krachmacher tauchten die aufgeblasenen Backen ihrer Freundin Retta auf. Fetzenhaft nahm sie die Gestalt des wilden Fahnenschwenkers wahr. Jupp Hochleitner, das im ganzen Dorf bekannte Röttenbacher Original tauchte im Fünf-Sekunden-Rhythmus hinter der hin und her schwingenden Frankenfahne auf, „Godd sei Dang, iech bin a Frank!“, brüllend.
„Kennd iehr zwaa Debbn edz amol a Ruh gebn!?“, schrie die Kunni gegen die Vuvuzela an. „Do denn der ja die Ohrn weh! Schbinnd iehr edz dodaal? Eich had wohl der Hafer gschdochn, odder seider um dera Uhrzeid goor scho bsuffn?“
„Kunni, Kunni“, rief die Retta mit heißerer Stimme, und unterbrach kurzzeitig ihre Trötaktivitäten, „waßd du denn ned, dass heid der Dooch der Frangn is? Dees missn mier doch feiern! Hobb ziech di oo, mier genga zum Radhaus. Do senn scho a ganza Haufn Leid. Der Jupp had gmaand, mier kennerdn heid in Röttenbach aa an Ablecher vo der Frangnbardei grindn. Freiheid fier Frangn!“
„Jawoll“, stimmte Jupp Hochleitner in Rettas Rede ein, „Freiheid fier Frangn!“, und wedelte erneut den rot-weißen Frankenrechen hin und her.
„Und iech deng“, gab die Kunni zur Antwort und sah die beiden Verrückten vor sich an, „eich hams alle zwaa in eier Hirn neigschissn! Hobb edz, schaud dasser weider kummd und lassd mi in Ruh friehschdiggn und mei Zeidung lesn! Vielleichd schaui schbäder amol am Radhausbladz vorbei.“
Enttäuscht zogen die beiden, lärmend und fahnenschwenkend davon. „Freiheid fier Frangn, Freiheid fier Frangn!“, rief Jupp Hochleitner ununterbrochen, und die Retta stimmte in das Gegröle mit ein. Dann besann sie sich wieder ihres Instruments, blähte erneut ihre Backen auf und blies mit der Stärke eines mittleren Hurrikans in die feuerrote Plastikröhre.
„A su a verrüggdes Volk!“, schüttelte die Kunni ihr weises Haupt und zog sich wieder in ihre gemütliche Küche zurück. „Dees habbi edz davo, edz is mei Kaffee aa kald.“
Als sie eine dreiviertel Stunde später fertig angezogen war und in der Küche den kleinen Abwasch erledigt hatte, trieb es sie doch, neugierig wie sie war, zum Rathausplatz.
Dort angekommen wunderte sie sich nicht über die vielen Leute und das Gewirr an Frankenfahnen. Die Retta und der Jupp standen mit der Theresa Fuchs zusammen. Deren Sohn, der Bruno, war mit seiner Frau Julia ebenfalls gekommen und hielt in der Linken ein Blatt Papier
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