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ZECKENALARM IM KARPFENLAND

ZECKENALARM IM KARPFENLAND

Titel: ZECKENALARM IM KARPFENLAND Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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anderen sahen gespannt auf den Text. Dann setzte erneut die Röttenbacher Blasmusik ein. Die ersten Töne erklangen aus den Instrumenten, und unter der Führung von Bruno Fuchs erklang es erneut aus einhundertsechsundsiebzig fränkischen Röttenbacher Kehlen:
    à
Bankrott, mit dir, du Land der Bayern,
    Geraubte Erde, Frankenland, …
    Am Rand des Rathausplatzes standen zwei vor vielen Jahren nach Röttenbach zugezogene Berliner, sahen und hörten zu, und unterhielten sich. Herr Lutz Motzke war zwanzig Jahre für Siemens in Erlangen tätig und hatte in den letzten drei Jahren seiner beruflichen Karriere eine leitende Funktion in der Kommunikationsabteilung des Sektors Industrie begleitet. Seit einem Jahr genoss er sein Leben als Pensionär und hatte nicht vor, nach Steglitz zurückzukehren.
    Sein Gegenüber und Nachbar, Herr Horst Feuerklee aus Spandau, verbrachte den Löwenanteil seines aktiven Berufslebens in der Abteilung Rechnungswesen bei Adidas in Herzogenaurach, bevor er vor zwei Jahren zwangsverabschiedet wurde.
    „Sach ma“, begann Lutz Motzke und kratzte sich am Kopf, „die Rede war ja det reenste Vagnüjen. Haste wat verstanden?“
    „Nee“, erwiderte sein Nachbar, „det war pille palle. Da vastehste rein jarnüscht.“
    „Da kannste Jift druff nehmen“, bestätigte Lutz Motzke, „uff die Schnelle jesacht is dit mir schnurzpiepejal. Dit juckt mir nich. Im Jejenteil, ick lach mirn Ast übern Dialekt der Einjeborenen. Det reinste Amüsemang. Stehste da wien Öljötze und verstehste nüschd. Sach ma, wolln wa een Zischen jehn?“
    „Klar, komm machen ma den Abjang, jehn ma zum Sauer, der hat wenjigsdens en jutes Bier, keene Pullabrause. Mann o Mann, is det aba warm heute, wa?!“
    Auf dem Rathausplatz forderten einhundertsechsundsiebzig mittelfränkische Kehlen: „Zugabe, Zugabe!“
Erlangen, Bohlenplatz, Freitag, 6. Juli 2012
    Es war um die Mittagszeit, Kuno Seitz saß auf seiner Bank. Die Sonne schien vom azurblauen Himmel. Insgeheim hoffte er, dass Till Stemmmann ihn hier suchen würde. Seit Sonntag hatte er seinen neuen Gönner nicht mehr gesehen. Im Nachhinein ärgerte er sich, dass er bei ihrem letzten Treffen so viel gesoffen hatte. Till Stemmann musste eine schöne Meinung über ihn haben. Er fröstelte. Seit heute Morgen hatte ihn eine leichte Übelkeit befallen, welche sich im Laufe des Vormittags steigerte. Es fing mit leichten Kopfschmerzen an, welche sich innerhalb kürzester Zeit auf seine Augen ausbreiteten. Seitdem nahm der Druck auf seine Augäpfel ständig zu, und die Schmerzen strahlten in seinen gesamten Hinterkopf aus. Poch, Poch, Poch. Dieses kurze, rhythmische Pochen war kaum mehr auszuhalten. Als er zusätzlich eine stärker werdende Benommenheit verspürte, rechnete er diese dem Essen zu, welches er sich am Mittwoch von der Erlanger Tafel geholt hatte. Irgendetwas musste verdorben gewesen sein. Wahrscheinlich der Leberkäse. Er hatte ihm ohnehin nicht geschmeckt. Ihm war kalt. Trotz der angenehmen Temperaturen. Dann stellten sich auch noch Muskelschmerzen ein. Alles tat ihm weh. Der ganze Körper schien zu rebellieren. Nicht nur, dass sein Kopf schmerzte, er fühlte sich auch noch heiß an. Er musste glühen, wie eine reife Tomate. Dabei fror ihn immer noch. Ein Schluck Wodka wäre jetzt recht! Er zog sein grünes Jackett enger um seinen Oberkörper. Verdammte Scheiße, jetzt wurde er tatsächlich auch noch krank. Mitten im Sommer! Ein Gefühl von Schüttelfrost überfiel ihn. Wie schön wäre es jetzt, ein festes Dach über dem Kopf zu haben und ein weiches Daunenbett, in welches man sich kuscheln konnte. Ganz zu schweigen von einer heißen Dusche und frischen Klamotten. Er erhob sich stöhnend und schob seinen Einkaufswagen in Richtung Innenstadt. Jeder Schritt tat ihm weh. Drüben in Alterlangen war vor acht Wochen eine neue Großbaustelle eingerichtet worden. Die Tiefgaragen waren im Rohbau nahezu fertig. Heute, am Freitag, machten die Bauarbeiter bereits um fünfzehn Uhr Feierabend. Dorthin, so hatte er eben beschlossen, wollte er sich über das Wochenende zurückziehen, um hoffentlich ungestört die beiden nächsten Tage zu verbringen. Er würde sich in seine schmuddeligen Decken einhüllen, die er in seinem Wagen vor sich herschob, und versuchen zu schlafen. Bestimmt gab es dort auf der Baustelle Styroporplatten, die er als Matratze benutzen konnte. Am Montag würde er bestimmt wieder auf dem Damm sein. Er konnte es sich nicht leisten, den kranken Mann zu spielen.

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