ZECKENALARM IM KARPFENLAND
und in der Rechten ein Mikrofon. Dann trat er in die Mitte der Menschenmenge und schaltete das Mikrofon ein. Seine Stimme hallte aus zwei mächtigen Lautsprecherboxen für jeden klar und deutlich hörbar über den Rathausplatz:
„Liebe Röttenbacher Midbürger, mehr als zwaahunnerd Joahr is her, dass dees schene Frangland vo dene hinderfodzign bayrischen Sauhund besedzd worn is. Zwangseingemeinded däd ich heid soogn. Dabei hamm mier die Grübbl goar ned bei uns ham wolln! Seid dera Zeid wern mier Frangn underjochd und ausgnumma wie a Weihnachdsgans. Schaud eich doch die bayrische Haubdschdadd Minchn o und die Schiggi-Miggi-Gsellschafd, die dord lebd! Warum gehds deene denn heid su gud? Iech sogs eich: Weils vo unserm Geld leben, vo unsere Schdeiern, die wu mier dene immer ieberweisn missn! Die bayrischen Hundsgrübbl bluudn uns regelrechd aus. Und ham mier Frangn in der bayrischn Bolidigg irgendwas zum Soogn? Hammer ned! Dees is ja die ganze Grux und Ungerechdichkeid und schdingd zum Himml, wie a Bäggla Resi, dees zeha Dooch in der Sunna gschdandn is. Deswegn deng iech, dass mer dees ändern missn. Odder wolld iehr dees fier die näxdn zwaahunnerd Joahr weider su hinnehma?“ Ein tiefes Gemurmel der Zustimmung setzte auf dem Rathausplatz ein. „Freiheid fier Frangn!“, rief Jupp Hochleitner in die Menschenmenge und schwenkte seine Fahne.
„Genau, Jupp, du hasds erfassd. Freiheid fier Frangn!“, setzte Bruno Fuchs seine Rede fort, „dees is der Grund, warum mier uns heid hier vorm Radhaus versammeld hamm und unsern Willn kunddun. Drum forder iech eich heid aa auf, lassd uns in Röttenbach an Ablecher der Frangnbardei gründn und lassd uns fier die Unabhängichkeid Frangns kämbfen. Mier brauchn die Bayern, die elendichn Schmarodzer ned. Anlässlich unseres heidichn Ehrendoochs hab iech fier eich und fier uns alle die goddverdammde Bayernhymne leichd veränderd.“ Bruno Fuchs brach in ein schallendes Gelächter aus. „Iehr werds nemmer wiedererkenna! Iech habs umdexd, wie mier Frangn sie gern singa dädn. Iech kann zwoar ned gud singa, abber iech will eich dees Lied aa ned vorendhaldn. Iech deng mid der Underschdüdzung vo unserer Röttenbacher Blasmusigg griechi dees scho hie. Günder, seid iehr suweid?“ Günther Sapper, Vorsitzender und Dirigent der Röttenbacher Blasmusik hob seinen Arm zum Zeichen, dass seine Kapelle einsatzbereit sei.
„Also, auf gehds“, rief Bruno Fuchs den Musikanten zu. Mit einem kurzen Schlenkerer seines Taktstocks gab Günther Sapper seinen Bläsern das Zeichen zum Einsatz. Augenblicke später ertönte die Melodie, die Konrad Max Kunz dereinst zu Papier gebracht hatte, aus den Trompeten, Tuben, Hörnern, Klarinetten und sonstigen Blasinstrumenten, und Bruno Fuchs‘ markante Stimme hallte laut und deutlich über den Rathausplatz:
à
Bankrott, mit dir, du Land der Bayern,
Geraubte Erde, Frankenland,
Uns‘re lieblich weiten Gauen,
Hast genommen, ist’s ne Schand.
Noch heute listig dein Gebaren,
Deinen Taten ich nicht trau,
Armes Franken musst du darben,
Bei dieser Herrschaft Weiß und Blau.
à
Bankrott, mit dir, du Bayernvolke,
Wenn ihr Franken nicht verehrt.
Stets in Zwietracht sind geschieden,
Wut in unsren Herzen gärt.
Dass von der Donau bis zum Maine,
Bis hin zum kleinsten Franken-Gau,
Rot-Weiß sich niemals je vereine,
Mit den Farben Weiß und Blau.
à
Gott mit uns, ja Gott mit Franken,
Die wir sind ein deutsch‘ Geschlecht,
Treu beschützen und bewahren,
Uns’rer Stämme altes Recht.
Oh, wie würden wir gern feiern,
Jeder Mann und jede Frau,
Unabhängig von den Bayern,
Frei von Weiß und frei von Blau.
Bruno Fuchs hatte zu Ende gesungen. Die Menge auf dem Rathausplatz tobte begeistert. „Bravo!“ „Zugabe!“ „Mier woll’n a freies Frangn!“ „Nieder mid die Bayerngrübbl!“, schrie auch Kunni Holzmann in die Menge. Jupp Hochleitner, das etwas spinnerte Röttenbacher Original, Hans-Dampf in allen Gassen und Mitglied in inzwischen sechsundzwanzig Vereinen, politischen Parteien, Stammtischen und sonstigen, lokalen Interessengruppen schwenkte seine Fahne und rief: „Numal! Dees woar su schee!“ „Ja, sings numal Bruno!“, riefen auch andere Umstehende. Bruno Fuchs fühlte sich wie ein gefeierter Volksheld. Vorsorglich hatte er fünfzig Textkopien seiner Fränkischen Bayernhymne vorbereitet und verteilte sie unter den Anwesenden. Die formierten sich zu Dreier- und Vierergruppen. Jeweils einer hielt das Blatt Papier von sich. Die
Weitere Kostenlose Bücher