Zehn Dinge, die wir lieber nicht getan haetten
du sagen sollen, dass sie es nicht gleich allen ihren Freunden weitertratscht. Genau. Die Welt ist nämlich klein. Ich weiß alles über Lily.«
Als ich ihren Namen sagte, zuckte er zusammen. »Tut mir leid, April. Echt. Ich liebe dich.«
»Spar dir das. Ich versteh’s nicht«, sagte ich wieder. »Konntest du es denn gar nicht erwarten? Du hättest dich nur noch ein bisschen gedulden müssen.«
»Es ging doch nicht ums Warten«, meinte er.
»Ich dachte, zwischen uns läuft es total gut«, sagte ich leise. »War es denn nicht so? Warum musstest du mit einer anderen schlafen?«
»Es lief ja alles gut. Es läuft alles gut.«
Mein Kopf schmerzte. »Du hättest doch nicht mit ihr geschlafen, wenn alles in Ordnung gewesen wäre. So geht das nicht.«
»Ich schätze ... ich hatte einfach Panik. Deine Eltern wollten umziehen. Und du hast dich dazu entschlossen zu bleiben. Schon zum zweiten Mal.«
»Na und?«
»Das war ein großer Schritt. Und es war ... keine Ahnung. Deine Mutter ist nach Frankreich gezogen. Du bist geblieben. Dann zieht dein Dad um. Du bleibst. Das war ganz schön viel Druck. Für mich.«
»Warte, warte, warte. Ich hab das alles nicht bloß deinetwegen getan!« Mir war schwindlig.
»Ach, komm schon. Warum hättest du denn sonst bleiben sollen? Als ich dich gefragt habe, warum du nicht nach Ohio ziehst, da meintest du, es sei wegen mir!«
Ich dachte zurück an unser Gespräch an jenem Abend im Auto. Ich hatte immer wieder betont, wie sehr ich ihn liebte, weil ich dachte, er mache sich Sorgen, weil wir immer noch nicht miteinander geschlafen hatten. Doch stattdessen hatte er die ganze Zeit nur Panik geschoben, weil er dachte, ich würde ihn viel zu sehr lieben.
Nur noch acht Tage, dann gehöre ich ganz dir, hatte ich gesagt.
Oh Gott.
»Ich wollte doch nur, dass du dich gut fühlst.« Ich hatte gesagt, was ich gesagt hatte, damit er das Gefühl hatte, gebraucht, geliebt zu werden. »Es ging nicht um dich.«
Es ging um alles. Die Schule. Ihn. Marissa. Vi. Mein Leben. Ein Umzug nach Ohio hätte bedeutet, dass ich mich von alldem hätte verabschieden müssen, und dazu war ich nicht fähig gewesen.
Westport zu verlassen machte mir Angst. Alle anderen
waren weggezogen und hatten sich eben verändert, weiterentwickelt. Doch ich schaffte es nicht.
»Es ging nicht nur um dich«, sagte ich. »Ich glaub, ich hatte einfach Angst, nach vorne zu schauen und weiterzuziehen.«
Und als ich es aussprach, wurde mir klar, dass es wirklich stimmte. Vielleicht hatte ich gar nicht wegen Noah oder Marissa oder Vi oder der Schule Angst davor, von hier wegzugehen. Vielleicht lag es ja an allem, was die vergangenen paar Jahre geschehen war. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht wollte, dass sich noch mehr veränderte.
»Ich dachte, es sei wegen uns«, meinte er. »Ich wollte ja, dass du bleibst. Ich wollte mit dir zusammen sein. Aber ich hatte einfach das Gefühl ... dass es etwas Großes war. Etwas Schwerwiegendes. Ich hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Denn wenn du lieber bei mir bliebst als bei deiner Familie ... dann musste ich mich dessen doch auch würdig erweisen.«
Ich sah ihn an. »Du wolltest also beweisen, dass du es wert bist, indem du mit einer anderen schläfst?«
»Ich hatte einfach Panik. Das mit Lily, das war nicht weiter von Bedeutung. Ich hätte es dir sagen sollen, bevor wir beide miteinander geschlafen haben. Ich hatte es ja auch die ganze Zeit vor. Doch dann lief alles so gut zwischen uns, da dachte ich, ich könnte einfach vergessen, dass es überhaupt passiert ist.«
»Wenn du mich nur nicht mit dieser Scheißkrankheit angesteckt hättest.«
»Das war total dumm. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist. Irgendwie war alles so kompliziert, und die Geschichte war dagegen so einfach.«
»Sie war einfach zu haben«, meinte ich, wünschte mir aber sofort, ich hätte das zurücknehmen können. Es war ja nicht ihre Schuld. Klar war es das irgendwie auch, aber sie war nicht diejenige, die sich mir gegenüber zu rechtfertigen hatte. Sie war mir nichts schuldig. Er war derjenige mit der Verantwortung mir gegenüber. »Nein, ich nehm das zurück. Es war nicht ihre Schuld. Sondern allein deine.«
»Ich weiß, dass es meine Schuld ist. Kannst du mir je verzeihen?«
Ich sah zu ihm auf. Zu dem Jungen, den ich geliebt hatte. Mehr als alles andere. Er hatte Panik geschoben. Hatte sich in die Enge getrieben gefühlt. Darauf hatte er reagiert. Ob ich ihm verzeihen konnte? Dann
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