Zehn (German Edition)
mit Fächern aus. Ich zeige Ihnen gerne welche, wenn Sie möchten.«
Sie trat an die Vitrine und nahm einen steifen, runden Blattfächer heraus. »Wir führen sowohl Uchiwa als auch Ôgi.« Sie zeigte auf den Blattfächer: »Dies ist ein Uchiwa, und das …«, sie nahm einen hübsch bemalten Faltfächer heraus, der einen Kirschblütenzweig zeigte, »das ist ein Faltfächer, ein Ôgi oder Sensu.«
Herr Schreiber schien fasziniert: »Ôgi oder … Sensu … hmm …«
Er nahm den Fächer in die Hand, drehte ihn und sah sich die zarten Einlegearbeiten am Griff genau an. »Wie hübsch! Ist das alles Handarbeit?«
Frau Michi lächelte: »Ja. Wir führen nur handgearbeitete Ware. Es gibt natürlich auch fabrikgefertigte Fächer.« Sie sprach von ihrer größten Konkurrenz.
Die meisten Touristen kauften die billigere Massenware. Als ihr Vater krank wurde und sie die Fächermacherei einstellten, war es seine größte Sorge, dass das Handwerk aussterben würde.
Doch obwohl die Kundschaft kleiner geworden war, führte sie auch seit seinem Tod nur Handarbeiten. Sie bestellte die Modelle bei Fächermachern in Tokio und Kyoto.
Zweimal im Jahr nahm sie den Shinkansen nach Kyoto und besuchte die Familie Akira. Herr Akira war einer der bekanntesten Fächermacher Kyotos und führte das Geschäft zusammen mit seiner Frau und den drei Söhnen. Die Stammkundschaft bestand aus Schauspielern und Tänzern, vor allem vom Nô-Theater oder Kabuki. Außerdem wurden die Uchiwas noch von Schiedsrichtern beim Sumoringen verwendet, und die Älteren legten Wert auf Handarbeit.
Sie selbst fertigte Fächer nur noch als Hobby. Oft bemalte sie das Reispapier, ohne es auf einen Fächerrahmen aufzuziehen oder zu pressen. Sie liebte den Geruch des Laminats und des Leims, es erinnerte sie an ihre Kindheit. Wie sie zusammen mit ihrer Mutter das jungfräuliche Reispapier mit kostbaren Tuschepinseln bemalt oder beschrieben hatte.
Die Mutter hatte ihr immer gesagt: »Fächer bemalen ist Zen, es ist Meditation. Überstürze nichts. Überlege dir genau, was dein Fächer sagen soll. Stelle dir dein Bild vor, und erst wenn du es genau vor Augen hast, dann zeichnest du. Dann brauchst du nur einen Pinselstrich. Das Reispapier verzeiht nicht. Du kannst nichts korrigieren.«
Wenn ein Kunde kam und einen von ihr bemalten Fächer in Augenschein nahm, hatte sie vor Aufregung oft den Atem anhalten müssen. Stolz war sie gewesen, wenn einige Tage später der fertige Fächer in der hübschen Vitrine stand, und manchmal traurig, wenn ein Tourist kam und den Fächer kaufte und mitnahm in ein fernes Land, das sie sich damals nicht hatte vorstellen können.
Die Mutter hatte ihr alles über Tuschtechniken, Mineralfarben, Motive und die Geschichte des Fächers beigebracht.
Herr Schreiber wies auf einen Faltfächer aus der Meiji-Zeit. »Was ist dies hier?«
Es war selten, dass ein europäischer Kunde so viel Interesse zeigte. Es fiel ihr schwer, dem Gaijin gegenüber indifferent zu bleiben, so wie es sich gehörte. Sonst sprach sie mit Fremden nur das Nötigste, wenn sie sich im Laden aufhielten. Auf der Straße tat man im Allgemeinen so, als bemerke man die »Außenmenschen« nicht.
Andererseits hatte sie Ausländer schon als Kind spannend gefunden. Da sie fast ihre ganze Zeit im Laden verbrachte, sah sie regelmäßig Gaijin aus aller Herren Länder. Deren fremde Art, sich zu kleiden, zu sprechen, die großen Gesten oder deren seltsame Mimik hatten bereits im Kindesalter ihre Neugier geweckt. Normalerweise verhielt sie sich still und sprach nur, wenn man sie etwas fragte. Ihr Englisch war relativ gut, dennoch bevorzugte sie es, den zu zahlenden Betrag in den Taschenrechner zu tippen und dann dem Kunden das Display zu zeigen, statt mit ihnen zu sprechen. Dann beschwerte sich auch niemand über den Preis.
Der Herr, der dem Schild nach »Schreiber« hieß, schien allerdings sehr höflich zu sein.
Vorsichtig nahm sie den Fächer aus dem Regal. »Dieser Sensu zeigt einen Daikoku. Das ist der Gott des Reichtums und des Glücks.«
Der Fächer war aus dem 19. Jahrhundert und sehr gut erhalten. Sie führte neben neuen Fächern auch Originale aus der Edo- und Meiji-Epoche, die rar und schwer zu finden waren. Der Daikoku-Fächer war besonders schön. Sein Reispapier war zartrosa eingefärbt, und die Tuschezeichnung zeigte den Daikoku mit einem Sack auf dem Rücken, wie er drei Juwelen nacheilt.
»Was bedeutet der
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