Zehn (German Edition)
Sack?«, wollte Herr Schreiber jetzt wissen.
»Der Sage nach hat der Daikoku immer seinen Sack mit Schätzen dabei, außerdem trägt er einen Hammer mit sich.« Sie wies auf die Zeichnung, in der bei genauem Hinsehen ein Hammer in der Hand des Daikoku zu sehen war.
»Mit dem Hammer kann der Daikoku alles, was er damit berührt, verwandeln.« Herr Schreiber hörte aufmerksam zu. »Früher hatte der Daikoku die Aufgabe, die Tempelküche mit den Lebensmitteln zu bewachen.«
Herr Schreiber zog die Brauen hoch. »Aah, so etwas Ähnliches wie ein Bodyguard?« Er lachte. »Interessant. Was kostet der?«
Er hatte sich einen der teuersten Fächer ausgesucht. Sie sah nach. 27 500 Yen. Das waren etwa 220 Euro. Sie tippte den Betrag in den Taschenrechner und zeigte ihm das Display. Sie sah ihn nicht an.
»Dieser Fächer ist ein Original, er ist über hundert Jahre alt«, sagte sie leise. Wenn der Mann den Fächer kaufen würde, müsste sie sich weniger Sorgen machen diesen Monat. Meist wurden die günstigeren Fächer gekauft, und dann vor allem zu Neujahr. Jetzt, im September, ging das Geschäft schleppend. Erst letzte Woche hatte sie überlegt, den Laden ganz zu schließen, er brachte kaum noch Gewinn. Es hatte die ganze Woche geregnet, und Frau Kim aus dem Kimonoladen hatte auch über fehlende Kundschaft geklagt. »Warum schließen Sie den Laden nicht?«, hatte sie gefragt. »Wenn Sie sich die Ladenmiete sparen, sind Sie fein raus. Da reicht es bald für Satellitenfernsehen.«
Schon am nächsten Tag hatte sie sich geärgert über sich selbst. Der Laden war alles, was sie hatte, die Eltern hatten hart dafür gearbeitet. Und fernsehen tat sie wenig. Nur nebenbei, nach der Arbeit. Sie war in den Tempel gegangen und hatte für mehr Kundschaft gebetet. Danach fühlte sie sich besser und mied Frau Kim seither.
Herr Schreiber sah auf die Uhr. »Hmm, verzeihen Sie bitte. Ich muss zurück zum Kongress. Ich werde wiederkommen. Ich möchte mir noch Ihre anderen Fächer ansehen.«
Mit einer kleinen Verbeugung verließ er den Laden.
Das passierte oft. Die Kunden ließen sich von ihr beraten und kauften dann die billigen Fächer zwei Straßen weiter. Vorsichtig stellte sie den Uchiwa und den Daikoku-Sensu zurück in die Vitrine. Sie räumte die Tusche weg, säuberte die Pinsel, und nachdem sie das bemalte Reispapier zum Trocknen aufgehängt hatte, beschloss sie, den Laden heute früher zu schließen.
Draußen war es grau und windig. In der Nachbarschaft redete man davon, dass der Taifun kommen würde. Die Alten sprachen vom »Kamikaze«, dem »Götterwind«. Sie war froh, dass sie einen Schal mitgenommen hatte.
Allerdings hatte sie es nicht weit. Unterwegs kaufte sie ein paar Gyôza für das Abendessen. Sie war allein, da brauchte sie nicht viel. Gerne hätte sie für einen Mann gekocht, aber irgendwie hatte sie den Absprung nie geschafft. Als sie zwischen Zwanzig und Dreißig war, hatte sie sich um den Laden und ihre nacheinander erkrankten Eltern gekümmert. Jetzt war sie sechsundvierzig und anscheinend zu alt. Alle Männer ihres Alters waren verheiratet. Außerdem betrachtete man eine alleinstehende Frau ihres Alters argwöhnisch. Manchmal, so schien ihr, auch mitleidig.
Als sie nach Hause kam, heizte sie den Kotatsu ein. Dann schaute sie fern. In den Lokalnachrichten wurde von einer hochschwangeren Frau berichtet, die von sieben Krankenhäusern abgewiesen wurde, weil sie keine Krankenversicherung hatte. Mehr oder weniger auf den Treppenstufen des achten Hospitals brachte sie dann ihr Kind zur Welt. Die Frau verstarb, sie hatte einen Gehirntumor.
Frau Michi fragte sich, ob sie und die einsame Frau etwas gemeinsam hatten. Allerdings besaß sie selbst eine Krankenversicherung. Der Bericht war kurz. Als Nächstes wurde von den Einbußen beim Thunfischfang berichtet, worauf eine Reportage über wachsende Landwirtschaft östlich von Tokio gesendet wurde.
Plötzlich sah sie den Mann, der heute bei ihr im Geschäft gewesen war.
Der Europäer mit dem dunkelblauen Hemd saß neben anderen europäischen Herren mit Namensschildern an einem großen Tisch und diskutierte. Es war ein Bericht über einen Landwirtschaftskongress, der zurzeit in Tokio stattfand.
»Was für ein Zufall«, dachte Frau Michi. Fast hatte sie den einzigen Kunden dieses Tages schon wieder vergessen.
Der Wetterbericht schloss mit einer Sturmwarnung.
In der Nacht regnete es heftig. Wolkenbruchartiger Regen
Weitere Kostenlose Bücher