Zehn Jahre nach dem Blitz
Marschall im Grunde seines Herzen vor allem Soldat, ein ganz gewöhnlicher, den Genüssen eines Herrenabends zugetaner Mensch. Ein Mann, der das Leben liebte.
Doch blieb er, wie General Holt, ungeachtet seiner Oberbefehlsgewalt über ein Heer von kriegserfahrenen Bleiernen, Broses Joch unterworfen.
Als der Flügler zur Landung ansetzte, stellte sich Foote die Frage: Wie schafft es ein zweiundachtzigjähriger, halb altersschwacher, aber dennoch schlauer, absurder Koloß, der Gott weiß wieviel wiegt, so lange an der Macht zu bleiben? Entspricht es der Wahrheit, daß er in Genf eine elektronische Apparatur unterhält – besitzt und beherrscht –, eine absolut zuverlässige Apparatur, die_ Holt und Harenzany im Falle einer Krise die Herrschaft über sämtliche Bleierne der Welt entzieht? Oder ist es etwas Tieferliegendes und weniger Grobes?
Vielleicht entspricht es dem, was die christliche Lehre als »apostolische Nachfolge« bezeichnet, überlegte er. Die Argumentation wäre folgende: vor dem Dritten Weltkrieg verfügte die Heeresführung von Volks-Pakt und Wes-Dem über die unumschränkte Macht; die Zivilregierungen stellten nur noch die in zahlreiche Stücke zerfallenen Überreste der Vereinten Nationen dar. Und diese beiden wettstreitenden Heerführungen herrschten durch einen Halbgott, die Illusionsfabriken von Gottlieb Fischer; sie regierten durch die menschenverachtende und gekonnte Manipulation aller Massenmedien, aber das Militär verfügte nicht über das genaue Wissen, wie diese Manipulation der Medien vonstatten ging, dieses Wissen hatte nur Fischer. Und dann brach der Krieg aus, und die beiden Militärmächte schlossen einen Handel ab. Zu diesem Zeitpunkt war Fischer zwar bereits tot, hatte aber einen Schüler hinterlassen, nämlich Stanton Brose.
Doch schien es darüber hinaus noch etwas zu geben. Vielleicht konnte man es Charisma nennen. Die göttliche Aura, die die großen Führer der Geschichte, wie Gandhi, Caesar, Wallenstein, Luther, Roosevelt, umgeben hatte. Oder vielleicht lag es einfach daran, daß Brose Brose war. Er hatte seit Kriegsende die Herrschaft inne, diesmal hatte es der Halbgott geschafft, hatte die uneingeschränkte Macht an sich gerissen. Und er war schon vorher mächtig gewesen, er hatte – rechtmäßig, vom Gericht bestätigt – Fischers Studios und sämtliche Einrichtungen geerbt. Die Illusionsfabrik, die die Voraussetzung der Macht war.
Merkwürdig, Fischers plötzlicher, tragischer Tod draußen im All.
Ich wünschte, dachte Foote, ich hätte diese Zeitmaschine, die Brose in seinem Archiv für hochentwickelte Waffen zur Verfügung steht. Ich würde ein paar Spurenmesser zurückschicken und Audio- und Videoaufnahmen machen ... ich würde Fischer und Brose im fahre 1982 elektronische Spürgeräte an den Hintern heften und insbesondere Fischer bis zum Augenblick seines Todes von einem Monitor überwachen lassen, um herauszufinden, was damals wirklich geschah, als das Schiff bei der Landung auf der Venus die Zündung einschaltete – und dabei in die Luft flog.
Als er sich anschickte, aus dem Flügler zu klettern, surrte das Videophon in der Kabine. Ein Anruf aus der Zentrale der Gesellschaft in London; wahrscheinlich Cencio, der während seiner Abwesenheit den Wachdienst hatte.
Foote kletterte in den Flügler zurück, schaltete das Videophon ein und sagte: »Ja, mein Junge?«
Cencios Gesicht erschien winzig auf dem Bildschirm. »Ich habe einen Filmausschnitt von der Stelle, von der der Vernichtungsstrahl ausging.«
»Welcher Vernichtungsstrahl?«
»Der die beiden Bleiernen des Yance-Mannes David Lantano zerstört hat. Erinnern Sie sich nicht?«
»Doch, jetzt fällt es mir ein. Erzählen Sie. Wer oder was hat den Vernichtungsstrahl abgefeuert? Ein Yance-Mann, aber welcher?«
Cencio erwiderte: »Unsere Aufnahme ist senkrecht von oben entstanden. Wir können die Gestalt also kaum klar erkennen. Aber ...« Er verstummte.
»Reden Sie schon, verdammt«, sagte Foote. »Ich bin auf dem Weg in Marschall Harenzanys Büro, und ...«
»Der Mann, der den Strahl abgefeuert hat«, stieß Cencio hastig hervor, »ist, dem Film nach zu schließen, den unser Satellit aufgenommen hat, Talbot Yancy.« Er wartete schweigend. Foote erwiderte nichts. »Ich meine«, fuhr Cencio fort, »er sieht aus wie Yancy.«
»Und wie sehr ähnelt er ihm?«
»Er sieht genauso aus. Wir haben das Bild auf Lebengröße vergrößert. Er sieht genauso aus, wie sie, ich meine die Tanker, ihn auf ihren
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