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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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verkraftet den Leerlauf einige Zeit. Spart Sprit. Genießen Sie den Segelflug.«
    »Ich will die großen Rochen sehen!«, flennte das Mädchen. Die Kleine hatte sich offenbar rasch vom Schreck erholt und zerrte weiter kräftig an Vics Nervenkostüm. Wie wär's, wenn du mal einen Blick aus dem Fenster auf die paradiesische Landschaft werfen würdest , dachte er ärgerlich. Die Inselwelt seiner zweiten Heimat präsentierte sich von hier oben jedes Mal wie ein frisches, überraschendes, abstraktes Gemälde. Die unendlich vielfältigen Schattierungen von lichtem Türkisblau, Smaragdgrün, sattem Azur und dunklem Stahlblau des warmen tropischen Meeres, der feine, blendend weiße Sand, der sich wie filigrane Colliers um die kleinen grünen Palmeninselchen legte und die Untiefen im glasklaren Wasser zum Leuchten brachte, die schroffen moosgrünen Felsen der größeren Inseln mit ihren versteckten Buchten und das lebhafte Ballett der schnell wechselnden Wolkenbilder, all das fesselte ihn stets aufs neue.
    Die Mutter versuchte ihr Kind zu beruhigen, goss jedoch lediglich Öl ins Feuer.
    »Vic wird uns schon noch zu den Mantas bringen, hab ein wenig Geduld, Liebes.«
    »Er hat es aber versprochen«, giftete das Mädchen. Klar, die Riesenrochen gehörten zu den Attraktionen dieser Tour, doch erst musste er einen kleinen Umweg fliegen. Eine befreundete Familie auf einer benachbarten Insel wartete auf ein dringend benötigtes Medikament, das er an Bord hatte, und diese Lieferung duldete keinen Aufschub. Er freute sich hämisch, dass die Göre noch weiter auf ihre Rochen warten musste. Sie schwebten zügig zur Landzunge hinunter, wo seine Freunde wohnten. Er entschied, dass die Knöchel seines Kopiloten, mit denen er sich an den Sitz klammerte, jetzt weiß genug waren, schaltete endlich die Zündung wieder ein und gab etwas Gas. Auch eine Wasserung mit stehendem Propeller wäre ohne weiteres möglich gewesen, doch er wollte es nicht übertreiben. Er setzte die Maschine etwas hart auf und ließ sie gekonnt auf der holprigen Wasserpiste ans seichte Ufer schlittern. Chris, der jüngere Sohn der Familie winkte freudig, während sein kleiner Hund aufgeregt keuchend zum Flugzeug schwamm und geschickt auf die Schwimmkörper kletterte, um seinen alten Bekannten zu begrüßen. Vic griff unter seinen Sitz und kramte einen Hundekuchen aus der Tüte, die er stets mit sich führte. Freudig wedelnd sprang das nasse Tier auf seinen Schoss und schnappte sich die Köstlichkeit.
    »Darf ich vorstellen, das ist Greta«, sagte er zu seinen Passagieren gewandt, denen der Anblick des struppigen Hundes nicht geheuer schien, denn Greta war eine Art Affenpinscher mit grauschwarzem Fell und dem Gesicht einer zerzausten Wasserratte. »Keine Angst, sie sieht zwar abenteuerlich aus und ist etwas vorwitzig, aber sie mag Leute, insbesondere Kinder.« Er packte den Beutel mit den Medikamenten und sprang ins seichte Wasser. Der Junge rief etwas, das er nicht verstehen konnte, doch die einladende Geste war unmissverständlich. »Kommen Sie«, bedeutete er seinen etwas verunsicherten Fluggästen. »Wir sind eingeladen. Sie werden eine sehr nette polynesische Familie kennen lernen.« Zögernd entledigte sich der Vater seiner Schuhe, kletterte umständlich über den Schwimmfuss der Cessna ins Wasser und trug seine widerstrebende Tochter huckepack ans Ufer.
    »Ia Ora na« - »hallo«, begrüßte Chris seinen Freund und die Fremden freundlich und führte sie zum bescheidenen Haus unter den Bäumen.
    »Wie geht es deinem Vater?«
    »Besser. Er ist aber immer noch sehr müde.«
    »Das wird schon wieder, Chris. Dein Papa ist ein zäher Bursche.« Die Mutter des Jungen wartete am großen Holztisch im Schatten einer mächtigen Bananenpalme mit süßen Säften und einer kolossalen Schale, in der sich frisch geschnittene Ananas-, Papaya-, Lychee und Sternfruchtstücke türmten. Als wäre dies nicht genug, um die Gäste zu begrüßen, stand daneben noch eine Schüssel aromatisch duftender gerösteter Mape, die einen an Kastanien erinnerten. Während Vic die Medikamente ins Haus brachte, unterhielten sich seine Passagiere allmählich etwas weniger steif mit der gastfreundlichen Polynesierin, deren Französisch sie ganz gut verstanden. Chris bemerkte, dass das fremde Mädchen, das etwa in seinem Alter sein mochte, immer noch missmutig am Tisch saß, kaum ein Wort sprach und die leckeren Früchte nicht angerührt hatte. Er rannte ins Haus und kam gleich wieder mit einer kleinen

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