Zehn Milliarden (German Edition)
Geschichte. Ich werde sie Ihnen gerne eines Tages erzählen, aber jetzt habe ich Hunger. Wie steht's mit Ihnen?«
»Geht mir genauso. Das scheint eine abenteuerliche Geschichte zu sein.«
»Ist es«, rief er aus der kleinen Küche in der Kabine, wo er Besteck und Geschirr holte. »Dramatisch.« Als er sich wieder neben sie setzte, bemerkte er, wie sie ihn vorwurfsvoll anblickte.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte er besorgt. Sie nickte langsam und antwortete mit ernster Miene:
»Allerdings. Ich werde Ihnen das nie verzeihen.«
»Aber ...« Er wusste nicht weiter, geriet allmählich in Panik, doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie amüsierte sich köstlich über den kleinen Schreck, den sie ihm eingejagt hatte. Sie spielt mit dir, Idiot , schoss es ihm durch den Kopf und er lächelte verkrampft. »Was habe ich denn verbrochen?«
»Wenn Sie mir vorher etwas von einem Bootsausflug gesagt hätten, wäre ich nicht in dieser unpassenden Garderobe erschienen.« Er blickte sie verständnislos an.
»Unpassend?«
»Aber ja. Mädchen lieben es nun mal, sich im Bikini auf einem Boot in die Sonne zu legen, und dieses Stück fehlt jetzt leider.«
»Geht doch auch ohne«, rutschte es Nick heraus.
»Das ist also Ihre Absicht«, lachte sie. »Aber im Ernst, eine Bootsfahrt ohne ausgiebiges Sonnenbad ist nur ein halbes Vergnügen.« Er verstand zwar ihre Logik nicht wirklich, doch sie kam ihm ganz gelegen.
»Kompromissvorschlag«, entgegnete er, während er die Köstlichkeiten aus der Tüte und der Kühlbox vor ihr ausbreitete. »Wir bleiben heute einfach hier im Hafen liegen, genießen den bescheidenen Lunch und holen die Kreuzfahrt morgen mit der notwendigen Ausrüstung nach.« Das verschaffte ihm Gelegenheit, das Boot ein wenig auf Vordermann bringen und voll zu tanken, bevor sie Zeit hatte, es gründlich unter die Lupe zu nehmen.
»Hab schon begriffen«, schmunzelte sie. »Aber einverstanden, morgen wird die Emily gründlich getestet.« Er reichte ihr ein Glas des kühlen Schaumweins und prostete ihr feierlich zu:
»Auf die kleine Laundrette.«
Höchst zufrieden mit dem Verlauf des ersten Rendezvous seit Jahren legte er sich abends auf seiner Terrasse in den Liegestuhl, schaute verträumt in den roten Abendhimmel und freute sich auf die sonntägliche Spritztour. Er fühlte sich leicht wie ein Vogel. Die Arbeitswelt, die kleinen und großen Mühen des Alltags, waren weit weg, seine Welt jetzt völlig im Gleichgewicht. Kurz vor dem Einnicken aber schreckte er plötzlich auf. Seine Nackenhaare sträubten sich, als hätte ihn ein Gespenst kalt angehaucht. Schlagartig erinnerte er sich, woher er den geheimnisvollen Fremden kannte, den er auf dem Parkplatz mit Julie gesehen hatte. Der Stalker! Er war sich nicht sicher, wollte nicht daran glauben, aber Gestalt und Haltung stimmten überein. Nick hatte eine sehr unruhige Nacht vor sich.
Moorea
Vic schaltete den Motor in den Leerlauf. Die plötzliche Stille, die nur das schwache Pfeifen des Windes an den Tragflächen gelegentlich unterbrach, musste sich für seine ahnungslosen Passagiere anhören, als stürzte das kleine Flugzeug nächstens ins tiefblaue tropische Wasser des Pazifik fünfhundert Meter unter ihren zitternden Füssen. Die Prozedur hatte noch jedes Mal gewirkt, um endlos quengelnde verzogene Gören ach so toleranter Eltern zum Schweigen zu bringen. Diese kleine Familie mit ihrer wohlgenährten Tochter ging ihm allmählich gründlich auf den Geist, obwohl die Tour eben erst begonnen hatte. Kurz nach seiner Ankunft in Französisch-Polynesien hatte er die bestandene rot-weiße Cessna 206, den Water Wagon, wie er sie wegen ihrer Schwimmfüße nannte, als günstige Gelegenheit gekauft. Das genügsame Wasserflugzeug war ideal, um gutsituierten Touristen die atemberaubende Inselwelt rund um Tahiti und Moorea zu zeigen. Vic, eigentlich Victor de Moreau, stammte aus einer vermögenden Familie mit großen Ländereien in Südfrankreich und war keineswegs auf das Geld seiner Passagiere angewiesen. Er betrachtete die Bezahlung eher als eine Art Schmerzensgeld für Situationen wie diese. Andererseits hätte er natürlich auch allein umherfliegen oder zu Hause fischen können, doch er vermied es, allzu lange mit seinen oft trübsinnigen Gedanken allein zu sein. Dieser Job gab seinem Leben einen gewissen Sinn.
»Wir stürzen ab«, hörte er die Frau ihrem Gatten zuflüstern, der neben ihm den stummen Kopiloten spielte.
»Keine Sorge, Madam. Die Kiste
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