Zehn Milliarden (German Edition)
mit verkaterter Stimme. »Was soll das? Es ist Samstag, komm.« Er versuchte, sie aufs Bett zu ziehen, doch sie entwischte ihm lachend.
»Kann kaum die Augen offen halten und denkt an nichts als Sex.«
»Wundert dich das? Hast du schon einmal in den Spiegel geschaut?« Er rollte sich auf den Bauch, vergrub das Gesicht im Kissen und präsentierte ihr den nackten Hintern, aber sie wurde nicht weich, auch wenn es ihr schwer fiel. »Was willst du denn sonst?« knurrte er.
»Die Schlüssel fürs Boot.«
»Willst du abhauen?« Sie gab ihm einen Klaps auf den Allerwertesten und antwortete lachend:
»Mach dir keine Hoffnungen. Nein, ich vermisse ein wichtiges Kleidungsstück, hab's wahrscheinlich dort liegen lassen.«
»Im Schrank neben dem Badezimmer, oberste Schublade. Und jetzt lass mich endlich weiterschlafen.« Nick und sein Kater, süß , dachte Julie belustigt und holte die Schlüssel.
Verschlafen lag die Emily als einziges Schiff an ihrem Pier, alle anderen Boote waren an diesem sonnigen Morgen ausgeflogen. Julie schloss die Kabine auf und begann zu suchen. Durch die schlitzförmigen Bullaugen und die Luke in der Decke drang gleißendes Sonnenlicht ins Innere, das den Raum hell erleuchtete. Vielleicht hatte sie das Stück einfach achtlos auf dem Bett liegen lassen. Sie schaute unter die Kissen, tastete die Spalten an der Kabinenwand ab, fand jedoch nichts. Systematisch öffnete sie die Schränke neben dem Bett und über der Essnische, bis sie in einem Schubfach neben der Treppe fand was sie suchte. Dabei fiel ihr Blick auf ein kleines helles Stück Papier, das unter einem der eingebauten Polstersitze herausragte. Neugierig zog sie daran und hielt im nächsten Augenblick eine Ansichtskarte in der Hand. Die Vorderseite zeigte mehrere Fotos und die unmissverständliche Überschrift ›Groeten uit Amsterdam‹. Auf der Rückseite stand in wunderbar gleichmäßiger, aufgeräumter Handschrift:
Mein Liebster,
du fehlst mir so sehr, dass es schmerzt. Ich verstehe und respektiere deinen Entschluss, aber ich kann nicht aufhören, dich zu lieben. Ich hoffe von tiefstem Herzen, dass du die schreckliche Zeit bald überwinden wirst. Ich warte auf dich,
deine Emily
Die Karte war vor zwei Jahren abgeschickt worden. Höchste Zeit, dass Nick mit der Geschichte herausrückt , dachte Julie und versuchte das Sitzpolster etwas anzuheben, um zu sehen, ob noch weitere interessante Dokumente zum Vorschein kämen. Tatsächlich ertasteten ihre Finger eine Art Umschlag, wie sie vermutete, doch sie konnte den Fund nicht freilegen. Entschlossen griff sie zum Telefon und wählte Nicks Nummer.
»Du schon wieder«, meldete sich seine verschlafene Stimme.
»Vielen Dank für die nette Begrüßung«, antwortete sie schnippisch. »Hör mal, du Faultier. Ich brauche dich hier.«
»Ist etwas nicht in Ordnung mit dem Schiff?«
»Nein, aber wir müssen es auseinander nehmen.« Nick war plötzlich hellwach, doch bevor er antwortete, erklärte sie ihm, was sie gefunden hatte. »Offenbar gibt es hier unter dem Sitz noch mehr Papier, aber ich komme nicht ran.« Nick war überrascht, denn von einem solchen Versteck hatte er nichts gewusst, obwohl er glaubte, das Boot in allen Details zu kennen.
»Ich komme«, sagte er nur und eilte ins Badezimmer.
Als er ins Boot kletterte, fand er Julie in knapper schwarz glänzender Spitzenunterwäsche auf der Bank im Cockpit liegen.
»Ach, das ist also der wahre Grund«, spottete er. Sie ging nicht darauf ein, streckte ihm stattdessen die Karte entgegen, die sie gefunden hatte. Er betrachtete sie nachdenklich und murmelte schließlich: »Es war ein harter Schlag für meine Schwester.« Julie blickte ihn unsicher an. Sie wollte ihn nicht unter Druck setzen, aber irgendwann sollte er sich ihr anvertrauen.
»Willst du darüber reden?«
»Vielleicht«, sagte er ausweichend. »Ich möchte zuerst sehen, was sonst noch alles da ist.« Sie zeigte ihm den Fundort. Er wusste, dass die zwei Sitze der Essnische zusammen zu einem weiteren Bett ausgezogen werden konnten, also suchte er den Griff an der Unterseite. Als der eine Sitz flach dalag, konnte er das Polster leicht entfernen und den Unterbau freilegen.
»Ein ganzes Dossier!«, rief Julie aufgeregt, als sie den dicken, offenen Umschlag erblickte. Nick packte den Fund, setzte sich auf die Bettkante, und begann unverzüglich, wortlos, den Inhalt zu sichten, während sie in gebührendem Abstand stehen blieb und ihm gespannt zuschaute. Nach und nach legte er
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