Zehn Milliarden (German Edition)
wissen es nun«, murmelte sie.
»Ja, und dabei soll es auch bleiben.« Er packte die Papiere zusammen mit der Ansichtskarte wieder in den Umschlag und stand auf. Er würde Vics Vermächtnis sorgfältig aufbewahren. Julie, zog sich wieder an und wollte die Treppe zum Cockpit hinauf steigen, als Nick sich plötzlich an den Grund ihres Besuchs auf dem Boot erinnerte und sie fragte:
»Was hast du eigentlich gesucht?« Sie drehte sich um, knöpfte die Bluse nochmals auf und zeigte auf ihren Spitzen-BH.
»Den hier.«
»Heißt das, du bist ohne ..?« Sie nickte lachend.
»Klar, was dagegen?«
Amsterdam
»Wird sie reden?«, fragte die Polizeibeamtin in zivil leise, als sie das Tablett mit den Getränken auf dem Tisch des Besprechungszimmers abstellte. Emily schaute zu Lin hinüber, die etwas verloren am Ende des Tisches saß, und nickte. Die junge Frau trug ein einfaches, bis an den Hals zugeknöpftes Sommerkleid und schwarze Strümpfe, wohl um die blauen Flecken zu bedecken, die ihr Hansje und seine Kumpane an vielen Stellen ihres kindlichen Körpers zugefügt hatten. Nur das eine leicht geschwollene Auge konnte sie nicht verbergen. »Gut«, sagte die Polizistin erleichtert, setzte sich und schaltete das Aufnahmegerät ein. Sie hatte den Bericht der Ärztin vor sich, welche Lin kurz zuvor untersucht hatte, und was in diesem Papier stand, löste gleichermaßen Übelkeit und Wut in ihr aus. Sie musste sich sichtbar konzentrieren, objektiv zu bleiben und ihre Fragen professionell ruhig, emotionslos zu stellen. Lin hatte schnell Vertrauen zu Emily gefasst und lange mit ihr gesprochen, sodass diese Befragung beinahe zur harmlosen Formsache wurde, die sie nicht überfordern sollte. Die Beamtin legte eine Reihe von Fotos vor Lin auf den Tisch.
»Sehen Sie auf diesen Bildern einen der Männer, die Ihnen diese Verletzungen zugefügt haben?« Sofort zeigte die junge Frau auf das Bild von Sem ›Hansje‹ De Jong.
»Der da. Und drei andere.«
»Hansje«, bestätigte die Polizistin. Sie kannte den Mann als Milieukönig, dem jedoch bisher nichts Strafbares nachzuweisen war. Lins brutale Erfahrung und Aussage gab der Polizei endlich einen handfesten Grund, den Herrn genauer unter die Lupe zu nehmen. Darauf freute sie sich ganz besonders. Nachdem die Befragung abgeschlossen war, begleitete Emily die Chinesin in eines der Frauenhäuser, wo sie vorläufig Aufnahme fand und vor weiteren Übergriffen geschützt war. Zur gleichen Zeit bereiteten sich im Innenhof des Polizeihauptquartiers an der Elandsgracht 117 acht Beamte in zwei Fahrzeugen darauf vor, dem heimlichen König der Walletjes die Hölle heiß zu machen. Er sollte ihnen nicht entwischen.
Emily wählte Ninas Nummer. Sie wollte ihre Freundin über Lins Befragung informieren und ihr gleichzeitig von der bevorstehenden Festnahme Hansjes berichten. Niemand antwortete. Sie wird wohl an der Arbeit sein , dachte sie achselzuckend.
Nina starrte auf das Telefon, das vor ihr auf dem rosa Tischchen summte, ohne zu wagen, es in die Hand zu nehmen. Sie befand sich tatsächlich in ihrem Arbeitszimmer im Erdgeschoss. Die Vorhänge waren zugezogen, zum Zeichen, dass sie besetzt war, und vor ihr stand breitbeinig der fette Hansje mit gemeinem Grinsen in seinem Kindergesicht und einem offenen Klappmesser in der Rechten. Sein unvermeidlicher Schatten, der dünne Luuk, kaute gleichgültig fette Fritten mit Mayonnaise aus einer Papiertüte, während er die beiden Türen sicherte. Sein Boss riss ein Blatt vom Notizblock auf dem Tisch und zerschnitt es mit schneller Handbewegung in der Luft.
»Ausgezeichnetes Material, dieser Stahl. Schneidet sauber wie eine Rasierklinge. Was meinst du, wie flott ich damit deine hübsche Fresse tätowiert habe?«
»Das wagst du nicht«, zischte sie. Ihr Versuch, Tapferkeit zu markieren, scheiterte kläglich, zu groß war ihre Angst, als er einen Schritt auf sie zu machte. Sein Grinsen wurde breiter, als er die Tränen in ihren Augen bemerkte.
»Also zum letzten Mal: wo ist sie?«
»Ich - weiß es nicht«, schluchzte Nina. Er holte mit dem Messer aus und sie schrie: »Nein«, versuchte sich noch weiter in die Ecke zu verdrücken. Im letzten Moment hielt er inne.
»Wo?«, fragte er nochmals mit gefährlich ruhiger Stimme.
»Hansje!«, rief Luuk, der an der Vordertür stand und den Vorhang einen Spalt zur Seite gezogen hatte.
»Was, verdammt, du sollst mich jetzt nicht unterbrechen!«
»Politie! Sie kommen hierher. Wir hauen besser ab«, antwortete
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