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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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ihre Wohnungstür flog auf.
    »Wo ist das verdammte Schlitzauge?« keuchte Hansje und sah im gleichen Augenblick, wie sich die Gesuchte hinter Nina zu verbergen versuchte. Er verzog die Mundwinkel zu einem hämischen Grinsen. »Da bist du ja, meine Süße.« Dann schnauzte er sie wild an: »Schnell pissen solltest du, nicht quatschen, verflucht noch mal! Ich bin noch lange nicht fertig mit dir.« Lin zitterte hinter ihr wie Espenlaub, doch Nina ließ sich von diesem widerlichen Fettkloss nicht sonderlich beeindrucken.
    »Kannst du nicht anklopfen?«, schnauzte sie Hansje an. Der stutzte erst, worauf er sich lachend zu seinem dünnen Begleiter umdrehte und ihm ein Zeichen gab. »Sieh mal da: Dick und Doof sind wieder unterwegs«, spottete Nina höhnisch, während sie versuchte, Lin zu beruhigen. »Die Kleine bleibt da, verschwindet!«
    »Schnauze!«, schrie Hansje wütend. Luuk, der Dünne, der seinen Boss als drahtiger Mann fürs Grobe fast überall hin begleitete, eilte wortlos mit zwei Riesenschritten zu den Frauen, packte Lin an den glänzenden schwarzen Haaren und zerrte sie brutal zur Tür. Sie schrie wie am Spieß, doch Nina konnte ihr nicht mehr helfen. Gegen diese rüde Gewalt konnte sie mit ihrem geschliffenen Mundwerk nichts ausrichten.
    »Damit kommt ihr nicht durch. Ich zeige euch an, ihr elenden Schweine«, rief sie außer Atem, doch Hansje hatte wieder sein joviales Grinsen aufgesetzt, tippte sich mit dem Zeigefinger zum Gruß an die Stirn und verschwand zur Tür hinaus. Einen Augenblick später ging die Tür nochmals einen Spalt breit auf, und Ninas Bademantel flog ins Zimmer.
    »Den braucht sie nicht mehr«, höhnte Hansje im Treppenhaus.
    »Rot op, idioot« - »verpiss dich, Idiot!« Nina war außer sich vor ohnmächtiger Wut, aber sie wusste genau, dass sie nichts gegen die Brut ausrichten konnte. »Ich muss ihr irgendwie helfen«, sagte sie laut, »sonst kann ich in keinen Spiegel mehr schauen, verflucht.« Ihr Telefon klingelte. Sie blickte auf das Display und ihre Miene hellte sich auf. Sie drückte die Empfangstaste und begrüßte die Anruferin.
    »Hallo Angel, bin ich froh, dass du anrufst.«
    »Brauchst du so dringend neue Kunden?«, lachte die Anruferin. Nina blieb ernst.
    »Nein, ich - es geht mir nicht gut.«
    »Oh, das tut mir leid. Bist du krank?«
    »Nein, aber es gibt Probleme hier.« Sie erzählte ihr die traurige Geschichte der kleinen Lin.
    »Dieses Drecksgesindel!«, entrüstete sich Angel. »Die gehören längst hinter Gitter. Meinst du, die Kleine macht den Mund auf, wenn ich mit ihr rede?« Nina wusste, dass Angel neben einigen anderen Sprachen auch Mandarin fließend beherrschte. Die Frau war nicht nur die reine Augenweide, sondern auch ein einmaliges Sprachgenie.
    »Ich glaube schon, jedenfalls wird sie eher mit dir reden, als mit der Polizei. Das wäre sehr lieb von dir.«
    »Kein Thema, mach ich doch gerne.«
    »Jetzt geht's mir echt besser, Angel«, seufzte Nina erleichtert. »Aber was wolltest du eigentlich?«
    »Ach, nicht so wichtig. Ich hätte hier einen netten Kunden für dich, etwas verklemmt, aber stinkreich. Einen Amerikaner.« Nina hatte Angel auf diese Weise kennen gelernt. Regelmäßig vermittelte sie ihr meist sehr anständige Freier, die um ein Vielfaches besser bezahlten als ihre Laufkundschaft im Erdgeschoss.
    »Das ist sehr nett von dir, aber ich mag heute einfach nicht mehr, verstehst du?«
    »Klar verstehe ich das. Ich werde ihn schon irgendwo unterbringen. Nina, ich muss Schluss machen. Ich rufe dich an wegen der Kleinen. Tot ziens, man sieht sich.«
    Nachdenklich klappte Angel auf der Terrasse des Nobelhotels an der Amstel ihr Handy zu und blickte zum Tisch hinüber, wo ihr Gast auf sie wartete. Sie hatte ihn den ganzen Tag durch die Stadt begleitet, als kundige Führerin im Van Gogh Museum, als stilsichere Beraterin beim Kauf heikler Spitzenwäsche für die Gattin im Salon de Lingerie. Wo immer sie auftraten, zog Angel bewundernde Blicke auf sich und steigerte so das Ego ihres Begleiters ungemein, eine wesentliche Voraussetzung für ihre erfolgreiche Geschäftstätigkeit als Escortgirl.
    Nun hatten sie hier im Excelsior exquisit und ausgiebig diniert und waren bei der unvermeidlichen Frage nach dem zweiten Dessert angelangt. Sie selbst wurde höchst selten intim mit Gästen, aber sie erfüllte mit ihrem natürlichen Organisationstalent auch diese Wünsche diskret und zuverlässig. Sie bedauerte Ninas Absage, doch sie konnte ihre Freundin gut verstehen.

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