Zehn Milliarden (German Edition)
sie:
»Wissen Sie was, Jerry? Wenn ich nicht soviel gegessen hätte, würde ich mir gleich die Kleider vom Leib reißen und hineinspringen.« Er prustete los, als wäre sie die Königin der Comedians. Sie war sicher, dass der gute Mr. Prescott jetzt genügend vorbereitet war und leitete die letzte Phase ihrer Mission ein. Sie signalisierte deutlich, dass sie zu mehr als gutem Essen und Smalltalk bereit war und wandte dann die wohl älteste und immer noch wirksamste Methode des geordneten Rückzugs an, über die nur Frauen verfügen: sie klagte über Migräne. Sie musste dringend in ihr Zimmer zurück, ihre Spezialmedikamente nehmen, sich hinlegen, tut mir schrecklich leid, wir werden den schönen Abend nachholen .
Kurz vor Mitternacht rief Simone von der Lobby aus Miss Jones Zimmernummer an, eine letzte Routinekontrolle, dann wollte sie endlich in die Klappe. Sie nahm nicht an, dass sich jemand meldete und knallte vor Schreck den Hörer sofort wieder auf die Gabel, als sie die Stimme der Frau hörte. Das ging aber fix , dachte sie verwundert, machte eine letzte Notiz und klappte das Buch zu.
Nick erwachte erst gegen elf am nächsten Morgen, als ihm die hochstehende Sonne direkt ins Gesicht schien. Die Bilder der letzten Nacht kehrten schlagartig zurück und er fuhr erschrocken herum. Das Schlimmste befürchtend, starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf das zerwühlte Bett, befühlte vorsichtig die aufgerollte Decke, nur um ganz sicher zu sein, dass er allein war. Im Halbschlaf hatte er beinahe damit gerechnet, einen platinblonden Haarschopf zu ertasten, so beharrlich hatte seine neue Verehrerin ihm nachgestellt. Objektiv betrachtet hatte sie ihn sogar großzügig dafür entschädigt, denn über 50’000 seiner mittlerweile 122'000 Dollar stammten aus ihrer Kasse. Trottel , dachte er, er hätte nicht soviel in sich hineinschütten dürfen nach Julies Bestätigung, dass ›die Cocktails gemixt‹ waren. Zu seinem Glück blieb allerdings noch genügend Zeit, um seinen Kater loszuwerden und sich geistig auf den großen Auftritt vorzubereiten, denn Bull Prescott würde nicht vor sieben Uhr abends in Bobby’s Room erscheinen. Ein anstrengender Parcours auf dem Tretrad, eine ausgiebige Massage, ein Dampfbad und eine Stunde Ruhe im Wellness Center taten ihre Wirkung. Nach einem leichten Essen rief er Julie an und besprach den bevorstehenden Einsatz nochmals ausführlich. Das Timing war entscheidend, vor allem für den Fall, dass etwas schief ging.
Um halb acht betrat er zum ersten Mal das Allerheiligste des Pokeruniversums, Bobby’s Room, und setzte sich mit Bull Prescott und weiteren vier Spielern an einen der beiden exklusiven Tische. Mit 20'000 hatte er sich eingekauft. Er ließ sich ein Wasser bringen, schichtete seine Chips vor sich auf den gelben Filz, wie seine Gegner auch. Einzig vor Prescott stand lediglich das unvermeidliche Glas Milch. Er brauchte keinen Berg von Chips; wenn er welche einsetzen wollte, erhielt er sie ohne weiteres vom bereitstehenden Assistenten gegen seine großzügige Kreditlinie. Nick beobachtete beunruhigt, wie Julie an der Bartheke offensichtlich ungehalten mit einer Angestellten sprach. Verstört verließ die junge Frau den Raum, während Julie zu Prescott an den Tisch trat und sich seines vollen Glases bemächtigte.
»Sorry, Jerry, die Schwachköpfe haben die Milch nicht kalt gestellt. Nachschub von deiner Ranch ist unterwegs.« Prescott grinste dankbar und rührte keinen Finger, bis wieder ein Glas Prescott Farm Milk vor ihm stand. Trink schon , dachte Nick ärgerlich, als der Dealer die Karten verteilte und Prescotts Glas immer noch voll war. Pik König und Dame, gar nicht schlecht für den Anfang. Warum trinkt er die verdammte Milch nicht? Nick lief es kalt über den Rücken. Ihr schöner Plan war Makulatur, wenn Prescott jetzt plötzlich seine Gewohnheiten änderte. Er hatte starke Karten und hielt mit, als Bull in der ersten Runde erhöhte. Der Flop mit Pik Bube, Pik 10 und Herz König spülte Nick praktisch den Flush schon in die Hand, doch wenn kein Pik mehr auf den Tisch kam, könnte er leicht noch geschlagen werden. Endlich trank der Texaner einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Nick warf Julie einen verstohlenen Blick zu und stellte sich vor, wie die Nanobots in Prescotts Blutbahn geschwemmt wurden, sich vom Herzmuskel in seinen Kopf katapultieren ließen und sich zielsicher an den vorprogrammierten Messpunkten in seiner Großhirnrinde festsetzten. Sie hatten
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