Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
Vom Netzwerk:
heißt es einfach: dran bleiben.«
     
    Julie hatte genug gesehen, ihre Wahl stand fest. Unauffällig schaute sie sich nach Nick um, als sie über den kunstvoll gemusterten Marmorweg zum Ausgang schritt. Da er nirgends zu sehen war, wartete er wohl bereits in seiner Suite auf sie. Sie beschleunigte ihre Schritte, verließ den Poker Room und zog ihr Handy aus der Tasche.
    »Nick, bist du im Zimmer?«
    »Gerade angekommen, und du?«
    »Bin in fünf Minuten bei dir.«
    Als sie ins Zimmer trat, fiel ihr Blick als erstes auf die niedlich aufgereihten Türmchen von Poker Chips auf dem Schreibtisch. Mit ehrlicher Bewunderung sagte sie: »Ich bin beeindruckt«, und sank erschöpft auf das Sofa. Sie kickte die teuren Schuhe mit den mörderisch hohen Absätzen von den Füssen und streckte die Beine auf dem Couchtisch aus. »Wie viel?«
    »52'000. Ja ich hatte etwas Glück, musste nicht mal die ganzen fünftausend einsetzen. Deshalb habe ich etwas früher aufgehört. Auch ein Wasser?« Sie nickte.
    »Diese Schuhe killen mich. Du kannst wenigstens sitzen bei der Arbeit.« Er stellte ihr die eiskalte Flasche Wasser hin, kniete vor das niedrige Tischchen und begann, ihre Füße zu massieren. »Ah, das tut gut. Du bist ein Engel.«
    »Gehört alles zum Service, schließlich brauche ich dich noch.« Sie schnitt eine Grimasse.
    »Ein Engel mit ausgesprochen loser Zunge, möchte ich noch hinzufügen. Aber mach ruhig weiter, Gabriel.« Nick grinste und setzte sein gutes Werk fort. Sie lehnte zufrieden zurück, schloss die Augen und sagte beiläufig: »Ich glaube, wir haben unser Versuchskaninchen gefunden.« Überrascht hielt er inne.
    »Was, jetzt schon? Bist du sicher?«
    »Immer schön weiter massieren«, murmelte sie ungerührt und wartete.
    »Komm schon, raus damit.«
    »Wenn du mich so nett bittest. Also, der am besten geeignete Kandidat scheint mir Jerry Prescott zu sein.« Nick fuhr wie von der Tarantel gestochen auf.
    »Bull?«
    »Ja, alle nennen ihn Bull. Kennst du ihn?« Nein, er kannte ihn nicht persönlich, aber jeder, der sich für professionelles Pokerspiel interessierte, hatte den Namen schon gehört. Jerry ›Bull‹ Prescott war ein gefürchteter Texaner, was er nicht seiner eindrucksvollen Erscheinung verdankte, sondern seiner unberechenbaren Strategie. Eine Art John Wayne mit weißem Stetson auf der Glatze, den er wohl auch im Bett nicht ablegte, war er berüchtigt dafür, dass sein wohl durchdachtes, eiskalt kalkuliertes Spiel plötzlich in einen manisch aggressiven Kampf ausarten konnte, als interessierte ihn der Wert seines Blatts nicht weiter.
    »Mein Gott Julie, Bull Prescott!«, rief er aus.
    »Warum nicht? Er hat genau die Eigenschaften, die wir besprochen haben. Er ist ein stinkreicher Pro, spielt zurzeit täglich, gibt praktisch nie auf, ist Einzelgänger und hat meinen Arsch gesehen.« Sie wartete amüsiert, bis Nicks Kiefer wieder zuklappte und fügte, noch bevor er antwortete, rasch hinzu: »Und überdies trinkt er nur eiskalte Milch aus seiner Villa.«
    »Deinen Arsch?« Sie nickte achselzuckend.
    »Allerwertester, Gesäß, Hintern, Po, ...«
    »Julie, ich weiß, was ein Arsch ist«, unterbrach er eilig. Lachend nahm sie den Faden wieder auf.
    »Gut. Ich habe mir erlaubt, ihn schon ein wenig vorzubereiten. Er scheint durchaus empfänglich zu sein für weibliche Reize, was sicher nicht schaden kann.«
    »Du hast ihm schöne Augen gemacht«, stellte Nick unnötigerweise fest. »Wann ist er reif, was meinst du?« Sie überlegte nicht lange und antwortete überzeugt:
    »Morgen. Ich brauche noch diese Nacht.« Er blickte sie entgeistert an, worauf sie unschuldig fragte: »Willst du es schneller?«
    Kaum zwei Stunden später saß Nick wieder am Tisch, diesmal mit neun neuen, unbekannten Spielern. Mit wissenschaftlicher Präzision und Konsequenz verfolgte er seine Strategie. Solange viele Spieler im Game waren, hielt er sich strikte an die Wahrscheinlichkeit, mit der sein Blatt die Gegner schlagen würde. War sie zu niedrig, passte er, war sie hoch, erhöhte er, bis mindestens sechs Spieler aufgaben. Je weniger Leute drin waren, desto entspannter konnte er spielen, denn die Chance, einen oder zwei Mitspieler auch mit einem schwachen Blatt zu schlagen, war entschieden höher als bei vielen Kontrahenten. Nach etwas mehr als einer Stunde hatten sich fünfundzwanzig seiner zweiundfünfzig tausend in Luft aufgelöst, und er begann zu zweifeln, ob er ohne das reservierte Eigenkapital durchkommen würde, wie er

Weitere Kostenlose Bücher