Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
unten, und ich gehe an der Gepäckausgabe vorbei. Es gibt zwei Ausgänge: einen für die, die eine Zollerklärung abgeben müssen, und einen für die, die das nicht müssen. Meine neueste Identität schlägt vor, diese Chance zu nutzen, mich meiner 67 Morde für schuldig zu erklären, doch ich verscheuche die himmlischen Heerscharen wie einen Schwärm Mücken.
Draußen erwartet mich eine Überraschung. Ein Empfangskomitee. In der Ankunftshalle stehen ein Mann mit dünnen und eine Frau mit dicken Haaren und einem Schild mit der Aufschrift: FATHER FRIENDLY. Ich muss wohl etwas neben mir stehen (kein Wunder, bei meinen vielen Ichs), denn ich mache den großen Fehler, direkt vor diesem beschissenen Schild zu stoppen. Mit dem scheiß Priesterkragen um den Hals! Sie zählen eins und eins zusammen.
»Mr. Friendly?«, sagt die Frau mit diesem Akzent, der mir immer vertrauter erscheint.
Gerade will ich nein sagen, da sehe ich zwei Polizisten, die am Ausgang der Ankunftshalle stehen. Und bevor das Nein über meine Lippen kommt, verwandelt es sich in ein Ja. Ich bin erledigt. Nun sitze ich fest.
Der Killer ist zu seinem Opfer geworden.
»Wie schön, Sie kennenzulernen, Mr. Friendly. Hatten Sie eine gute Reise?«, fragt der dünnhaarige Mann mit starkem isländischem Akzent und einem ziemlich schlechtzahnigen Lächeln.
»Ja, ja, war in Ordnung.« Plötzlich hasse ich das Englisch, das ich spreche. Sehr amerikanisch klingt es nicht gerade.
»Ich hätte Sie fast gar nicht erkannt. Sie sehen noch viel jünger aus als auf Ihrer Internetseite«, sagt die Frau, die nur aus Lächeln zu bestehen scheint.
Habe ich eine Internetseite?
»Oh, Sie haben mich ... mich da gesehen«, murmele ich. So eine Scheiße. Ich bin Killer, kein Schauspieler.
»Natürlich!«, sagt die Frau. »Aber Ihre Fernsehsendung haben wir noch nicht gesehen.«
Um Gottes willen. Ich habe eine Fernsehsendung. Das will ich sehen.
»Würden Sie das nicht gern mal?«, frage ich.
»Aber natürlich. Ja!«, rufen sie wie zwei Kleinkinder im Süßigkeitenrausch. Glückliche Zeitgenossen. Das Werk Gottes. Wer sind die bloß? Was wollen sie von mir? Dass ich ihnen beibringe, wie schnell man Leute mit vorgehaltener Pistole zum Beten bringen kann? Sie stellen sich vor. Ihre Namen sind abenteuerlich. Er heißt Gutmunduhr (muss wohl eine Art Künstlername sein), und ihr Name klingt so ähnlich wie Zickrita. Ich frage mich, wie die Amis sie wohl nennen würden. Zick und Gut? Sogar Tomo war den Amerikanern zu lang. Je mehr Leute, desto kürzer die Namen. Je weniger Leute, desto länger die Namen.
Da sieht Zickrita an mir herunter und fragt:
»Haben Sie gar kein Gepäck, Father Friendly?«
Nach einem Moment Bedenkzeit sage ich: »Nein. Die Frohe Botschaft ist mein einziges Gepäck.«
Sie lachen wie Zeichentrickhamster. Und ich fühle mich wie ein Schauspieler, der gerade einen wichtigen Schritt beim Einstudieren einer neuen Rolle gemacht hat. Halleluja.
Sie geleiten Father Friendly an den zwei Polizisten vorbei (ich sehe sie segnend an) und hinaus auf den Parkplatz. Die Temperatur ist ähnlich wie in einem Kühlschrank. Und das, wo ich mich auf den adriatischen Frühling gefreut hatte; darauf, auf der Riva zu chillen, ein pivo zu trinken und knapp bejeanste Arsche vorbeiwackeln zu sehen, begleitet von dem Klickern der Sandalenhacken auf den weißen Pflastersteinen.
Ah, die Mädchen von Split.
Aber nein. Stattdessen stehe ich hier auf irgendeinem Polarparkplatz, bekomme Gänsehaut und beobachte, wie sich mein neues glatzköpfiges Ich (ich könnte wirklich als Priester durchgehen) in dem Fenster eines silbernen Toyota Land Cruiser spiegelt, in den ich gleich mit zwei mir komplett unbekannten Menschen einsteigen werde. Das Fahrzeug sei bereits von der Gegenwart des großen Benny Hinn gesegnet worden, erzählen sie mir. Gutmunduhr und Zickrita sind Fernsehprediger. Sie betreiben einen kleinen christlichen TV-Sender namens Amen. Wenig später fährt Gutmunduhr uns durch die Mondlandschaft.
»Wir haben viele christliche Shows aus Amerika. Benny Hinn, natürlich. Aber auch Joyce Meyers, Jimmy Swaggart und David Cho. Und wir haben unsere eigene Show, auf Isländisch und Englisch. Wir sind jeden Abend im Fernsehen, meine Frau und ich. Manchmal zusammen, manchmal allein. Sie werden sehen«, sagt er in seinem eher primitiven Englisch. Seine adrette Frau sitzt neben ihm, dreht ihren Kopf Richtung Rückbank und lächelt mir zu. Ihr Mann fährt fort: »Worüber werden Sie heute
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