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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Abend sprechen? Welche Bibelstelle?«
    »Ahm, heute Abend?«, frage ich.
    »Ja. Als Ehrengast in unserer Show.«
    »Im, ahm, Fernsehen?«
    »Ja«, er lacht mit seinen schiefen Zähnen, fast wie ein Schwachsinniger.
    »Hm, ach so. Ich dachte, ich ...«
    Mein Handy rettet mich. Niko steht auf dem Display, und ohne groß nachzudenken, grüße ich ihn auf Kroatisch: »Bok.« Niko ist Dikans persönlicher Assistent. Der Mann mit der Nummer Zwei. Mit todernster Stimme fragt er mich, wo ich sei. Ich erzähle ihm die unglaubliche Wahrheit, allerdings nur bis kurz vor den Punkt, dass ich mit zwei christlichen TV-Stars in einem Jeep sitze, auf dem Weg zu meiner ersten Fernsehmesse. Er sagt mir, dass es gar nicht so schlecht ist, dass ich hier oben gelandet sei (weiß der überhaupt, dass Island ein eigenes Land ist?), da es in New York gerade ziemlich ungemütlich würde. »Du hast wirklich total verkackt, Toxic«, sagt er. Die FBIerschaukler, wie er sie nennt, sind bereits im Zagreb Samovar gewesen und haben meine Wohnung aufgebrochen. Sogar meiner Mutter haben sie heute Morgen in ihrem kleinen Eisenwaren-Laden in der Altstadt von Split einen Besuch abgestattet und ihr den Arm gebrochen. Dikans Eier kochen, sagt Niko. Hart oder weich?, frage ich ihn und merke, dass dies nicht die Zeit für Witze ist. Er schreit in mein Ohr, dass ich mich nicht vom Fleck bewegen solle. »Wenn du in diesem beschissenen Island bist, bleib bloß da! Komm nicht nach Zagreb oder Split und auch nicht hierher! Bleib, wo du bist und mach MWA!«
    Das bedeutet, wie gesagt, Möglichst Wenig Aufsehen. Ich frage mich, wie sich ein Auftritt in einer Fernseh-Show damit verträgt.
    Nachdem ich mein Handy abgeschaltet habe, dreht Zickrita sich zu mir um und fragt, was für eine Sprache ich gerade gesprochen habe.
    »Kroatisch«, sage ich.
    »Oh. Sie sprechen ... Kroatisch?«
    »Ja, wir ... wir haben ein paar Kroaten in unserer Gemeinde.«
    »Woher kommen Sie ursprünglich?«, fragt Gutmunduhr.
    »Ursprünglich sind wir alle Gottes Kinder.« Ich bin fast schon zu gut. »Aber wenn Sie meinen Akzent meinen, den habe ich mir sozusagen angewöhnt. Ich war viele Jahre Missionar im ehemaligen Jugoslawien.«
    »Was Sie nicht sagen«, sagen die beiden.
    »Ja. Ich habe die Frohe Botschaft in ein kommunistisches Land gebracht. Das war übel, Mann, eine scheiß ... ich meine, schweißtreibende, harte Arbeit. Da drüben ein Amerikaner zu sein, grenzt an Selbstmord. Ich musste einen anderen Namen annehmen und meinen amerikanischen Akzent loswerden. Sie haben mich Tomislav genannt. Tomislav Bokšić. Heutzutage denkt jeder, ich komme von da drüben. Aber nein. Ich bin hundertprozentig USA. Ich habe sogar CDs von Clay Aiken zu Hause. Die Friendlys wohnen seit dem zwölften Jahrhundert in Virginia.« Nicht übertreiben! »Ich meine, seit dem achtzehnten Jahrhundert.«
    Sie hören mir lächelnd zu. Dann folgt eine Stille, durch die ich mein Herz klopfen höre, als müsste es eine spannende Szene in einem Thriller vertonen. Schließlich fragt die Frau: »Wie alt sind Sie, Father Friendly?«
    »Ich bin ... 1965 geboren. Also bin ich ... ahm, 40.«
    »Dann waren Sie ja noch ganz schön jung, als Sie in ...«
    »In Jugoslawien? O ja. Es hat mich sehr geprägt. Ich habe da ziemlich traumatische Dinge miterleben müssen.«
    Draußen beginnt ein heiterer Maimorgen. Die Sonne kommt gerade hinter den Bergen heraus, die vor uns liegen. Am Himmel keine einzige Wolke, und das Meer zu meiner Linken verbirgt seine Wellen unter der grau-grünen Oberfläche. Und doch sieht alles so kalt aus, wie es auch ist. Der isländische Mai sieht aus wie der amerikanische März. An der Küste stehen ein paar verlassen aussehende Häuser.
    »Sommerhäuser«, sagt mein Gastgeber. Okay, dann gibt es hier offensichtlich auch Sommer.
    Der Flug hat fünf Stunden gedauert, und ungefähr so ist auch die Zeitverschiebung: Seit den Ereignissen auf der Toilette am JFK ist eine ganze Nacht vergangen. Es war mein erster Mord von Hand seit dem jungen Typen mit dem Schnurrbart in Knin. Ich hatte eine Technik angewendet, die ich einmal von Kamerad Priz mić gelernt hatte, dem Ältesten in unserer Einheit, dem Weltkriegsveteran mit den großen Nasenflügeln und nicht vorhandenen Wangen.
    »Das ist wie eine Kerze ausblasen«, hat er immer gesagt. »Alles eine Frage der richtigen Position und Geschwindigkeit. Der Mensch ist das Wachs. Das Leben ist die Flamme. Puste, und er ist tot.« Der gute alte Prizmić. Sie haben

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