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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Für das Fernsehen muss ich immer in Top-Form sein.«
    »Aber ...«, sagt er schließlich. »Aber ich habe in meiner Show angekündigt, dass Sie heute Abend kommen und zu den Leuten sprechen.«
    »Wirklich?«
    »Ich kann doch mein Versprechen nicht brechen. Das sind sehr fromme Menschen.«
    Armer Kerl. Er wirkt total am Boden zerstört. Aber ich muss an mein MWA denken.
    »Wie ... wie viele schauen denn zu?«
    Für jeden kleinen Fernsehmacher ist das wohl genau die falsche Frage. Er verzieht das Gesicht wie ein um eine Antwort verlegener Politiker und stößt ein entschuldigendes Lachen hervor.
    »Uns ... uns sehen viele zu.«
    Alles klar. Er hat zehn Zuschauer.
    »Okay. Wir ... wir werden sehen. Rufen Sie mich am Nachmittag an.«
    Was um alles in der Welt tue ich hier? Ich gebe ihm meine New Yorker Nummer. Der Priester gibt seinem Kollegen die Nummer eines Auftragskillers.
    »Okay, gut«, sagt er. Sein Lachen ist zurück, wenn auch etwas zerbeult nach dem Schlag, den ich ihm eben versetzt habe.
    »Sie können hier bleiben und sich erholen. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Wir müssen jetzt zur Arbeit. In den Sender.«
    Von meinem Fenster aus sehe ich, wie sie in den schicken Geländewagen steigen. Diese Gläubigen haben irgendwie immer die besten Autos. Gott weiß, wie er seine Leute belohnt. Und er weiß natürlich auch, dass man ein geländegängiges Auto braucht, um es in seinen Himmel zu schaffen. Die Frau des Predigers trägt einen Rock und hat schöne Beine. Wenn sie die einzige Frau in unserer Einheit wäre und wir einen Monat in den Bergen festsäßen, würde ich am Tag 12 anfangen, von ihr zu träumen.
    Ich bin allein im Haus. Trotz des Gletscherfrühlings draußen ist es hier drinnen so warm wie in jener Julinacht in Memphis, in der ich mal einen etwas ungeschickten Mord unter einer hässlichen Brücke ausgeführt habe. Wenn es ans Töten geht, bin ich kein Rassist, aber Schwarze habe ich immer am liebsten erschossen. Nicht gerade sehr originell.
    Ich lege meine Verkleidungen ab (es tut gut, Igors Jeans, Friendlys Hemd und Gottes Kragen los zu sein), werde wieder zu mir selbst und krieche ins Bett. Ganz schön weich und gemütlich. Und unglaublich ruhig. Fast zu ruhig. So eine laute Stille habe ich noch nie gehört. Mir wird bewusst, dass ich ein ganzes Jahrzehnt in einer Disco gewohnt habe. Und jetzt bin ich endlich draußen. Im Ernst. Man hört ABSOLUT ÜBERHAUPT NICHTS. Dieses ganze Wohnviertel ist so still wie der serbische Totenschädel, den meine Mutter auf dem Regal über ihrem Bett aufbewahrt.
    Plötzlich ist der ganze Raum von Sonnenlicht durchflutet. Weißer Raum, weißes Licht. Wenn ich hier aufwachen würde, in dieser sonnigen Stille, in diesem weichen Eiderdaunen-Bett mit der frischen, sauberen Bettwäsche und dem Foto des Erlösers an der gegenüberliegenden Wand, ich würde denken, ich wäre gestorben und im Himmel. Aber da komme ich natürlich nie hin. Ich bin nur auf der Straße zur Hölle im Verkehr steckengeblieben.
    Scheiße. Es ist so total still, dass ich nicht schlafen kann. Für einen Mann, der gewohnt ist, von den Bomben der Tschetniks und dem Straßenlärm von SoHo in den Schlaf gesungen zu werden, ist das die absolute Härte.
    Ich gebe es auf und gehe nach unten, streife durch das Haus mit meiner Schweinewampe, in den schwarzen Boxershorts von Calvin Klein. Der Morgen kommt durch alle Fenster. Das Licht ist herb und kalt und sehr intensiv. Eis-Sonne. Und ich verspüre dieses Touristengefühl, das man manchmal unterwegs bekommt, wenn man die dämliche Entdeckung macht, dass auch hier die Sonne seit Millionen von Jahren jeden Tag aufgeht. Auch hier, in dieser Stadt nördlich von Gut und Böse, wachen die Leute seit Jahrhunderten auf und gehen wieder ins Bett.
    Ich weiß noch, wie es mich schockiert hat, als ich nach vier Jahren in NYC zum ersten Mal zurück nach Split kam und bemerkte, wie meine Mutter gealtert war. Ich wurde fast sauer auf sie, als ob sie mich hintergangen hätte, und redete mit ihr über Feuchtigkeitscremes und Masturbationshilfsmittel. Ich bin nicht fürs Reisen gemacht. Ich bin ein Ein-Ort-Mann.
    Ich hätte Split nie verlassen dürfen. Aber wenn man unter Einsatz seines Lebens für etwas gekämpft hat, kann man es einfach nicht richtig genießen. Ich wäre wohl noch in Kroatien, wenn es nicht Kroatien heißen würde.
    Das Haus ist voll mit schickem Krempel und richtigen Möbelhaus-Möbeln. Ein großes schwarzes Sofa mit vielen Kissen füllt die Fernseh-Ecke aus,

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