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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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er Luftisch, die Sprache, die nur die Wolken verstehen. Diese Monologe aus dem Cockpit klingen immer wie ein Gebet, eine Bitte an Gott, seinen Vorgarten durchqueren zu dürfen. Es dauert vierzehn Minuten.
    Ich halte die Augen geschlossen. Dieser Friendly-Kragen fühlt sich an wie ein eisernes Band um meinen Hals.
    Hinter mir höre ich, wie zwei angeheiterte Schädelfreunde bei der Stewardess erneut etwas bestellen. Etwas weiter den Gang hinunter hat eine Gruppe dicker Frauen sich in ihre Schulzeit zurückgetrunken. Die Isländer scheinen mit den Russen verwandt zu sein - auch sie können ihr Heimatland nur komplett besoffen verlassen und kehren nie in nüchternem Zustand zurück. Erinnert mich an den guten alten Ivica, der in Split in unserer Straße gewohnt hatte. Er fürchtete sich so sehr vor seiner zickigen Frau, dass er sich Mut antrinken musste, um abends auszugehen, und sich erst zurücktraute, wenn er vor lauter Schnaps stocktaub war.
    »Skoll!«, »Skoll!«, schallt es um mich herum. Das mit dem Nickerchen kann ich vergessen. Ich öffne meine priesterlichen Augen.
    Plötzlich ist Shoppingzeit. Das Flugzeug verwandelt sich in ein fliegendes Einkaufszentrum. Die Stewardessen bügeln eine Kreditkarte nach der anderen durch ihre Lesegeräte und schmeißen mit Sonnenbrillen und Seidenkrawatten nur so um sich. Hat man so was schon gesehen? Das gibt es ja nicht mal bei Aeroflot. Dabei scheint es eine todsichere Kombination zu sein: erst saufen, dann kaufen. Macy's und die anderen Kaufhäuser in New York sollten mal darüber nachdenken, Bars in ihren Herren- und Damenabteilungen zu eröffnen. Gibt es in Island vielleicht keine Läden?
    Trotz des Pilotengebets zwicken die Engel mir weiterhin in die Beine und sorgen dafür, dass mich ein Gewissen plagt, von dem ich dachte, dass ich es gar nicht mehr hätte. Normalerweise verursacht mein Beruf keine Nebenwirkungen, außer dass ich nach einem Mord müde werde. Die körperliche Anstrengung mag nicht so groß sein, aber die Seele kommt doch etwas ins Schwitzen. Das Nickerchen nach einem Mord ist ein enger Verwandter des Nickerchens nach dem Sex - da ist die körperliche Anstrengung auch nicht so riesig (sie will meistens oben liegen), doch die Seele verlangt nach einer kleinen Ruhepause.
    Endlich gelingt es mir, meine besoffenen, shoppenden Mitreisenden zu vergessen. Ich schlafe ein, mit Munita auf mir. Ihre Wundermöpse hüpfen auf und ab, ihr langes schwarzes Haar streicht über meine schwabbelige Brust, als ob Gott mit der Spitze seines langen weißen Bartes meine verdorbene Seele berührt.
     

4. FATHER FRIENDLY
    Die Landung weckt mich auf. Sie ist hart. Noch lange nachdem das Flugzeug aufgesetzt hat, zittert es von der Nase bis zum Heck. Wahrscheinlich nur das allmorgendliche Erdbeben. Eine attraktive Stimme erklingt, erst in dieser Mondsprache, dann auf Englisch, und heißt uns willkommen bei einer Temperatur von drei Grad Celsius.
    Island ist wohl doch der richtige Name.
    Die Fotos haben keinen falschen Eindruck erweckt. Es sieht wirklich aus wie auf dem Mond. Graue, moosbedeckte Felslandschaft so weit das Auge reicht und kleine blaue Berge in der Ferne. Das muss dann wohl Lava sein. Lavalandschaft. Die Vulkaninsel.
    Die Stewardess verabschiedet mich mit einem weiteren Der-ist-aber-niedlich!-Lächeln. Die Gangway ist aus Glas. Die Landschaft sieht aus wie ein Film-Set von Star Wars. Ich versuche, in dieses merkwürdige Land einzureisen, als wäre es die normalste Sache der Welt, bemühe mich krampfhaft, so zu gehen wie der Mann, den ich gestern Abend umgebracht habe, schwinge seine schwarze Aktentasche wie ein zufriedener Priester hin und her, trage seine schwarzen Schuhe, Hemd, Jackett, Mantel und den weißen Kragen. Meine Jeans habe ich anbehalten. Ich bin ein moderner Geistlicher.
    Ich folge dem Basketball-Spieler in den Terminal. Er ist viel zu klein für seinen Beruf. Kleiner als meine einsachtzig sogar. Vielleicht exportieren sie die kleinsten Spieler in die Ligen der kleinsten Länder. Der Quatschkopf hat gesagt, es gebe nur 300000 Isländer. Das ist ja, als ob Little Italy ein Land wäre, mit eigener Flagge und einer kleinen Olympiamannschaft. Die würden sicher Gold bei den Restaurantschießereien holen.
    Der Basketball-Zwerg führt mich zur Passkontrolle. Vor einem Glaskäfig mit zwei Grenzbeamten bilden sich zwei Schlangen. Eine ist für Leute aus der Europäischen Union, die andere für den Rest der Welt. Ich versuche mich daran zu erinnern, ob

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