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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Söhne und Töchter des Heiligen Vaters«, antworte ich so Friendly wie möglich.
    »Scheiß auf den Heiligen Vater. Wo bleibt die Heilige Mutter? Die ist Jungfrau. Na, toll. Die Kirche ist doch nur was für dumme weiße Männer«, rotzt sie hervor und verschwindet dann mit dem Lappen und ihrem Tablett. Ich bin beeindruckt. Aber Father Friendly denkt anders. Als sie wenig später mit einem Latte Macchiato zurückkommt, hat er die nächste Frage schon vorbereitet.
    »Aber Ihre Eltern sind fromme Menschen, und ich finde, Sie sollten das respektieren, oder?«
    »Die sind nicht fromm. Ein paar Jahre lang nicht sündigen macht dich nicht gleich fromm. Ein trockener Alkoholiker ist genauso ein Alkoholiker wie einer, der trinkt.«
    Das ist zu hoch für mich. Ich konzentriere mich stattdessen auf ihre Lippen. Hinter den schweren Kirchenportalen meines priesterlichen Gesichts zerrt ein durchgedrehter kroatischer Armeehund an seiner Kette, der es nicht abwarten kann, sie anzuspringen und ihre glänzenden Erdbeerlippen zu lecken.
    Ich soll um sechs wieder zurück im Gotteshaus sein. Normalerweise nehme ich ein Taxi, obwohl das ungefähr so viel kostet wie ein Flug von New York nach Boston. Das kann Igor sich leisten. Geld spielt nie eine Rolle in unserer Branche. Friendlys goldene American-Express-Karte hätte wahrscheinlich einen noch größeren Kreditrahmen, aber sein priesterliches Plastik zu benutzen käme einer Einladungskarte an das FBI gleich.
    Um 18:30 Uhr essen wir ein leichtes Abendessen, das Zickrita in ihrer freudlosen Küche gekocht hat. Ihr Essen erinnert mich immer an Jerry Seinfeld. Der Tisch ist sehr geschmackvoll gedeckt, doch ihr Essen schmeckt eigentlich nach gar nichts.
    Um 20:00 Uhr sind wir im Fernsehstudio. Zickrita spendiert uns Männern etwas von ihrem Make-up, und eine halbe Stunde später gehen wir auf Sendung. Überraschenderweise fängt dieser Scheiß langsam an, mir Spaß zu machen. Ich habe mir sogar eine King-James-Bibel gekauft. Predigen macht dich mächtig.
    »Denn ich bin sein Wort! Sein Wort bin ich! Nehmt mich beim Wort!«
    Ich finde es fast schade, dass wir Samstag keine Sendung haben. »Wegen Eurovision«, sagt Gutmunduhr. Heute Abend wird nämlich der Eurovision Song Contest übertragen. Island nimmt zum zwanzigsten Mal daran teil, Kroatien zum elften. Das ist offensichtlich das TV-Ereignis des Jahres. »Heute Abend zu predigen hat keinen Zweck. 99 Prozent der Leute gucken Eurovision. Die Straßen sind wie ausgestorben. Wir zeigen lieber eine Wiederholung.« Und außerdem ist es ein typischer Familientag. Gunholder und ihr Bruder Tröster kommen beide zum Abendessen. Das scheint das isländische Thanksgiving zu sein.
    Tröster sieht seiner Schwester nicht sehr ähnlich. Wenn sie ein Schwan ist, ist er ein Sperling: ein dickbrüstiger Zeitgenosse mit einem schmalen, runden Körper und schüchternem Blick. Man würde wohl sagen, er ist nicht fett, sondern kompakt. Er hat Arbeiterhände; zwischen seinen Fingern sehen Messer und Gabel aus wie Nadel und Zwirn. Obwohl er 26 oder 27 Jahre alt sein muss, scheint er auf den Wangen nicht den geringsten Bartwuchs zu haben, nur seine Oberlippe ist mit weißem daunenartigem Flaum bedeckt. Er sagt kaum ein Wort und sieht nie von seinem Teller auf. Trotzdem fühle ich mich in seiner Gegenwart irgendwie wohl. Sein Gesicht bringt mich auf einen merkwürdigen Gedanken: Ich würde ziemliche Probleme haben, den Befehl auszuführen, ihn umzubringen.
    »Der Name Tröster kommt von einem sehr hübschen isländischen Vogel, der uns den Frühling bringt«, sagt die Dame des Hauses, als sie mir eine weiße, sehr heilig aussehende Sauce reicht.
    »Das ist kein isländischer Vogel«, protestiert ihre Tochter mit schweren Augenlidern.
    »Wie bitte? Tröster?«, sagt Zickrita überrascht. »Das ist der isländischste Vogel von allen. Es gibt sogar ein Gedicht über ihn.«
    »Das stimmt, Mama, aber das macht ihn noch lange nicht zu einem isländischen Vogel. Er ist nur im Sommer hier. Die meiste Zeit des Jahres verbringt er in Frankreich oder Spanien. Also ist er eher ein spanischer Vogel als ein isländischer.«
    »Spanisch? Wie kannst du so etwas sagen.«
    »Er verbringt mehr Zeit in Spanien als hier.«
    »Aber seine ... seine Jungen kommen in Island zur Welt. Sie sind isländische Staatsbürger, dann muss er ja auch ... Ja, er ist auch in Island geboren.«
    »Isländische Staatsbürger. Das klingt rassistisch, Mama«, zischt Gunholder über den Tisch.
    Schwer zu

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