Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
sagen, ob die Eltern bemerken, auf welch schwarze Rapper-Art sie das Wort racist ausspricht. Ihre Mutter schließt die Augen und presst die Lippen zusammen, während Gutmunduhr sich erhebt und zum Bücherregal geht, in dem ungefähr fünf Bücher stehen. Zickrita versucht, die Situation zu entspannen, indem sie sich an Father Friendly wendet: »Ich weiß nicht, wie dieser Vogel auf Englisch heißt, aber ...«
»Er heißt redwing - Rotdrossel«, sagt ihr guter Ehemann und erhebt seinen Kopf aus einem dünnen Wörterbuch.
Sie dankt ihm und erklärt mir, dass es sich bei der Rotdrossel um einen Wandervogel handelt. Gunholder verdreht die Augen, und ihr Bruder sitzt einfach nur da, totenstill wie ein tauber Matrose, den die Familie diesen Morgen am Strand gefunden hat. Auf seinen jungfräulichen Wangen bilden sich rote Flecken, als ob er mir zeigen wollte, wie ich mir eine Rotdrossel vorzustellen habe.
»Oder sagt man wandernder Vogel?«, fährt Zickrita fort. »Wie nennt man die Vögel, die in zwei...«
»Weiß nicht. Migrierender Vogel?«, rate ich.
Gunholder nimmt meine Worte mit verkniffenem Sarkasmus auf: »Migrantenvogel.«
Wir essen schweigend weiter. Als Tröster aufgegessen hat, begegnen sich unsere Augen zum ersten Mal. Armer Kerl. Als seine Eltern ihn mir vorstellten, mussten sie unbedingt erwähnen, wie gern sie ihn haben. »Unser lieber Sohn.« Das klang irgendwie komisch, als ob er zurückgeblieben wäre.
»Oh, das ist aber schön«, habe ich gesagt.
»Ja, das finden wir auch«, war die Antwort.
Ich gebe zu, dass ich mich schon den ganzen Tag darauf gefreut habe, diesen blöden Eurovision Song Contest zu gucken. Sechs geschlagene Jahre habe ich diese Sendung nicht mehr gesehen, die mir doch das Leben gerettet hat. Wir lümmeln uns auf die große Sitzgruppe, und Gutmunduhr schaltet den Flachbildfernseher ein. Die Live-Sendung aus Athen hat durchaus Ähnlichkeit mit der Megashow eines TV-Evangelisten: Nach jedem Lied jubeln sich 10 000 Menschen die Seele aus dem Leib. Nur nach dem isländischen nicht. Ein schlampig aussehendes Mädchen in einem nuttigen Outfit erntet heftige Buhrufe. Das Lied war okay, aber ihre arrogante, eiskalte Art kommt bei den Griechen schlecht an. Sie erinnert mich ein wenig an Gunholder. Ich sehe zu meinen Gastgebern rüber. Von allen heidnischen Wettbewerbsbeiträgen ist dieser offenbar am weitesten von Gott entfernt. Mit ihrem teuflischen Grinsen sieht die Sängerin aus, als käme sie direkt aus der Hölle geflattert und hätte vorher noch schnell mit dem Produzenten der Sendung geschlafen. Gutmunduhr sieht mich an und grinst so verlegen wie ein Mitglied der UN-Delegation eines Landes, dessen Premierminister gerade an das Rednerpult pinkelt.
»Das ist nur ein Witz«, sagt sie. »Die Sängerin ... die verarscht den ganzen Wettbewerb.«
Das Wort »verarscht« explodiert in dem heiligen Wohnraum wie ein lautloser, aber intensiver Furz. Ihr Vater erinnert sie freundlich daran, dass solche Sprache in seinem Haus nicht erlaubt sei, und sogar Toxic ist ein bisschen aus dem Konzept gebracht, wo ihm doch dieser verarschenswerte Wettbewerb mal das Leben gerettet hat.
Es folgen noch zehn, elf Lieder - die meisten von ihnen eine Art Slawen-Techno, Technoslawisch, wie wir sagen -, bis mein geliebtes Kroatien auftritt. Das gute alte Hrvatska. Tomo pinkelt sich fast in die Hose, als er sieht, wie keine Geringere als unsere Nationalheldin die Bühne betritt. Severina. Die gute alte Severina. Severina Vučkovič. Für alle Jungen aus Split war sie die schönste Frau der Welt. Sie war vier Jahre älter als ich, und ich habe mich noch nicht einmal getraut, von ihr zu träumen. Ich habe sie einmal mit ihrer Mutter in der Altstadt die Marmontova runterlaufen sehen und auf der Stelle einen fürchterlichen Herzkasper bekommen. Ich war so verknallt in sie, dass mein Herz ihr sofort jeden fünften Schlag schenkte. Jetzt ist sie die wunderschönste Frau der Welt geworden. Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen. Nicht seit der Porno mit ihr ins Internet gelangt ist und jeder Kroate auf der Welt für Wochen in Tränen aufgelöst war. Sie trägt ein rotes Kleid, das so geschnitten ist, dass man ihre großartigen langen Beine sieht, und wird von einer aufgepimpten Volksmusikgruppe begleitet. »Jer još trava nija nikla.« Ich werde heimwehkrank im Magen. Ah, das ist grauenhaft. »Tamo gdje je stala moja štikla.« Mann, das ist zu viel für mich. Sie da tanzen zu sehen ist, wie das Vorspiel seiner
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