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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Eltern mitzuverfolgen, das Präludium zur eigenen Zeugung. Als würde man endlich sehen, warum man existiert.
    Ich bekomme einen sehr heimwehkranken Ständer.
    Und irgendwo tief in mir entsteht das Bedürfnis zu weinen. Aber meine versteinerten Tränen wollen nicht wieder flüssig werden. Jemand sollte eine Art Viagra fürs Weinen erfinden. Ich hoffe, sie sehen nicht, wie traurig ich bin; bemerken nicht meine tränendurstigen Augen, meine zitternden Mundwinkel und meinen Schwanz in Habt-Acht-Stellung. Das ist meine Heimat. Meine Sprache. Das Mädchen meiner Kinderträume ... All das trifft den Verbannten wie ein New Yorker Lieferwagen voller Klatschzeitungen mit Tony Danza auf dem Titel.
    Oh. Moja voljena domovina ...
    Sie kucken mich an. Ich muss aussehen wie ein Welpe, der sich nach seiner Mutter sehnt. Ich muss etwas sagen.
    »Das sind die Erinnerungen«, schaffe ich aus meinem hufeisenförmigen Mund zu stammeln. »An Jugoslawien.«
    Sie wenden sich wieder dem Fernseher zu und versuchen damit umzugehen, dass ein wehmütiger Seelsorger auf ihrem Sofa sitzt. Severina schreit immer noch: »Moja štikla! Moja štikla!« Was so viel heißt wie: »Meine hohen Absätze! Meine hohen Absätze!«
    Plötzlich ertönt die Türklingel. Sie hat den Klang von Glockengeläut. Gutmunduhr geht zur Tür. Ich höre, wie er zwei Männer begrüßt.
    Das ist mein Zeichen.
    Ich entschuldige mich und stehe auf, tue so, als ob ich auf die Toilette will, gehe aber ins Esszimmer und dann weiter quer durch das Haus. Ich öffne die Terrassentür und zögere einen kurzen Moment, als die helle Nacht ihren kalten Atem in mein Gesicht haucht, während ich der Tatsache ins Auge sehe, dass ich keine Schuhe anhabe, nur meine dünnen NYC-Socken. Im Hintergrund singt Severina immer noch von ihren hohen Absätzen, die ich zu meinen werden lasse, als ich auf die kalte Terrasse hinaustrete und die Tür rasch hinter mir schließe. Dann renne ich wie ein Verrückter mit einem Priesterkragen raus in den Garten und von dort in den nächsten.
     

11. TADEUSZ
    In dünnen amerikanischen Sommersocken auf isländischem Asphalt zu rennen, ist nichts für kroatische Füße. Aber ich will nicht jammern, bin ja schließlich Killer, kein Priester.
    Ich lasse mich von der Kälte die Straße hinaufpeitschen. Tiefer in diesen gesichtslosen Vorort mit den farblosen Häusern hinein. Zum Glück sieht mich niemand. Alle schauen sich Severinas stikla-Nummer an. Hohe Absätze sind die Denkmalsockel einer jeden Frau. Man kann nicht anders als diejenigen zu bewundern, die auf ihnen gehen. Man kann Frauen sogar danach beurteilen, wie hoch ihre Absätze sind. Je weiblicher eine Frau, desto höher die Absätze, je niedriger, desto feministischer. Die Absätze von Severina können es mit den längsten Pistolenläufen aufnehmen. Einer der Jungs zu Hause in Split erzählte mal, dass er eine Nacht mit ihr auf dem Boot seines Vaters verbracht hätte. »Wir haben Wellen gemacht bis in den frühen Morgen.« Wir glaubten ihm nicht, konnten ihm aber auch nicht beweisen, dass er log. Und egal, ob es nun stimmte oder nicht, dieser Typ hat es mit dem Ruf, den er sich durch diese Geschichte erworben hat, bis ins Parlament gebracht. Jedes Mal, wenn sein Gesicht auf HRT erscheint, greife ich automatisch nach meiner Waffe.
    Ich sehe weit und breit keinen Polizeiwagen. Kein mobiles Einsatzkommando, keine Bruce-Willis-Typen mit Wollmaske, die über eine Hecke springen. Ich glaube, dass die beiden Männer mit Gutmunduhr Isländisch gesprochen haben. Die isländische Polizei arbeitet natürlich mit dem FBI zusammen. Alle kleinen Länder kuschen vor den Amis. Alle wollen ihre fünf Minuten Hollywood. Ich frage mich, ob die hiesige Polizei für den iranischen Geheimdienst dasselbe getan hätte.
    An der nächsten Kreuzung gehe ich nach rechts und sehe ein buntes menschenleeres Auto auf der Straße. Ein Lieferwagen von Domino's Pizza. Der Motor läuft. Ich ducke mich hinter den Wagen. Der Pizzabote steht vor der Haustür gegenüber, mit dem Rücken zu mir, und übergibt seine heiße Ware einer Tag-6-Schnitte mit nackten Schultern. Ich springe von der Beifahrerseite ins Auto und fahre los. Er kommt angerannt, und ich sehe im Rückspiegel, wie er mir winkt. Die Isländer sind höfliche Menschen.
    Meine Gedanken beschleunigen auf 100 km/h, während ich nur wenig langsamer durch die menschenleeren Straßen fahre. Ich darf nicht weit fahren. Dieses Pizza-Auto ist wie eine Kuhglocke um meinen Hals. Und Javor

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