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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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er sich zu seinen Feinden gesellt hatte. Er schwieg und starrte auf das rot-weiße Ding. Wir starrten auf sein Gewehr. Unsere lagen auf dem Boden, ohne einen Schuss Munition. Dann rettete Andro alles, indem er einfach wieder das Lied anstimmte, und der Serbe sang mit. Wie drei verbrüderte Straßenkater schrien wir: »Rock me baby! Nije važno staje. Rock me baby! Samo neka traje.« Das war wohl einer der größten Momente in der Geschichte des Eurovision Song Contest.
    Eurovision hat mir das Leben gerettet.
    Als die Flasche alle war, gestand Andro uns, dass er schwul sei. Er wollte mich küssen. Andro war ein hübscher Junge. Schwarze Haare, glatte Haut, dicke Lippen. Er war ein Tag-156-Typ, und der Krieg dauerte schon über ein halbes Jahr, so dass ich ihn, na ja, fast geküsst hätte. (Krieg macht einen entweder zum Faschisten oder zum Homo.) Doch ich konnte es einfach nicht, nicht um das Andenken meines Serbinnen fickenden Vaters. Aber wir wurden erregt, und unsere Hosen rutschten runter. Andro hat uns einen runtergeholt. Uns beiden. Gleichzeitig. Das ist die merkwürdigste Erinnerung, die ich an diesen beschissenen Krieg habe. Der verrückte schwule Junge aus Pula wichst uns mitten in der dalmatinischen Nacht, einen Schwanz in jeder Hand; einen kroatischen, einen serbischen.
    Wenn es schwule Nationen gäbe, gäbe es weniger Krieg.
    Ich wache auf, doch die finsteren Schatten flattern weiter durch das helle weiße Zimmer. Die Vergangenheit versucht, meine Gegenwart auf dieser hellen, stillen Insel zu verdunkeln, wo man bei Tageslicht einschläft und morgens um sechs in gleißendem Sonnenschein wieder aufwacht. Ich kann kaum schlafen. Ich komme mir vor wie im Krankenhaus. Einem neonhellen, totenstillen Krankenhaus, an dessen Eingang alle die Schuhe ausziehen. Gutmunduhr läuft sogar in seinem eigenen Haus auf Socken herum. Was für ein ekelhafter Anblick.
    In diesem friedlichen Land gab es nie Krieg. In tausend Jahren nicht. Wahrscheinlich, weil es eine Insel ist. Kein überschüssiger Tau, um den man kämpfen kann.
    War es richtig gewesen, dass all diese Leute starben, nur damit aus Knin ein kroatischer Ort wurde? Das frage ich mich heute noch. Kurz nach dem Krieg bin ich mal durch dieses 15000-Seelen-Nest gefahren. Beim Anblick unserer rot-weißen Fahne über den zerschossenen Dächern wurde mir übel. Ich musste anhalten und kotzen. Ich kotzte auf das Land, das wir zurückerobert hatten, das Land, für das ich mein Leben gegeben hätte. Krieg ist eine bescheuerte Sache, doch trotzdem mussten wir ihn führen. Mussten. Fragt mich nicht, warum. Wir mussten.
    Jeder Mensch gehört einer Nation an, einer Sache, die viel größer ist als er selbst. Eine Nation ist sowohl die Summe unserer Stärken als auch unserer Dummheit. Im Krieg gehorchen die Ersten der Letzteren.
    Ich stehe auf und gehe aufs Klo. Das durchgeknallt saubere Klo, auf dem sich absolut kein Anzeichen von menschlichem Leben findet. Hier kacken Engel. Ich habe einen fiesen, nicht ganz unheiligen Kater, der nicht nur von dem Bier kommt, sondern auch von den ganzen Hallelujas, die ich gestern in der Show gerufen habe. Gutmunduhr war sehr zufrieden mit meinem Auftritt. Sein amerikanischer Kollege hat ihn nicht enttäuscht.
    Ich frage mich, ob es in der amerikanischen Botschaft einen Fernsehpolizisten gibt; einen verpickelten Mongo, der das einheimische Fernsehen nach antiamerikanischer Propaganda durchkämmt. Der spät am Abend plötzlich sieht, wie da ein rundes Glatzkopfgesicht auftaucht, das frappierende Ähnlichkeit mit dem Foto auf dem Fahndungsplakat an seiner Wand aufweist. Dieser kroatische Mösenlecker, der letzte Woche einen FBI-Agenten in Queens erschossen hat und sich nun als der Priester ausgibt, dessen Leiche man letzten Dienstag tot auf einer Toilette am JFK gefunden hat. Die ganze Nacht hindurch bin ich alle halbe Stunde aufgewacht und habe damit gerechnet, dass ein mobiles Einsatzkommando kommt. Um vier Uhr morgens rief ich meine geliebte Munita an, doch niemand nahm ab.
    Das heilige Paar steht um sieben auf. Morgengebet beginnt um 7:30. Father Friendly muss mitmachen. »O Herr, vergib mir meine Sünden.«
    Nach dem Frühstück machen wir Sightseeing. Dort wohnt der Präsident, da ist das Einkaufszentrum, hier sammeln sie das heiße Vulkanwasser. Hier produzieren sie das weltberühmte Milchprodukt namens Skehr, und dieses Schwimmbad gilt als das beste der Welt. Sie tun wirklich alles, um mich davon zu überzeugen, dass ihr Land das beste

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