Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
kräftigen Finger bewegen sich auf flinke, aber lautlose Weise. Man hört fast kein Geräusch, wenn sie abräumt. Meine Mutter ist das genaue Gegenteil gewesen. Wenn die den Abwasch machte, klang es immer so, als würde eine Punk-Band proben. Vielleicht hat mein Vater nicht oft genug mit ihr geschlafen. Wenn es da einen Zusammenhang gibt, muss Tortur göttlich im Bett sein.
»Geht es dir besser?«, fragt sie mich mit ihrer fürsorglichen Stimme, die mein Ohr erfreut und mich gleichzeitig die Nase rümpfen lässt.
»Ja.«
»Das ist gut.«
Aus irgendeinem rätselhaften Grund glaubt sie hundertprozentig an mich. Ich werde góður sein, sagt sie dauernd. Das heißt sowohl gut als auch wieder gesund.
Wieder und wieder lese ich die Geschichte von Saulus, dem Selfmadeheiligen aus Tarsus in der Türkei. Die Geschichte, die Gutmunduhr an meinem ersten Abend in Island spontan im Fernsehen erzählt hat - jetzt ist sie zur Grundlage meiner Heilung geworden, wie Tortur sagt. Ist schon klar. Genau wie ich hat auch dieser Typ seinen Namen geändert. Und wie ich hat er eine dunkle Vergangenheit. Und doch ist er der heilige Paulus geworden, ein »Kirchenvater«. Vielleicht werde ich ja auch Vater von irgendwas. Aber hoffentlich nicht von einer Kirche.
Gegen Ende meiner zweiten Woche in Torturs Keller bringt Hanna mir nach dem Abendessen einen Brief. Sie legt ihn sanft auf meine Brust und nickt mir lächelnd zu, wodurch die Fältchen um ihre Augen hervortreten, und sagt: »Lies das«, bevor sie lautlos das Geschirr von meinem kleinen Tisch nimmt und wieder raufgeht, ihr riesiger Pferdeschwanz pendelt auf ihrem Rücken hin und her, über ihrem festen, runden Hintern.
Ich öffne den Umschlag. Es ist ein handschriftlicher Brief. Keine E-Mails im Hause Abraham. Schöne Schrift. Blaue Tinte. »Lieber Thordur ...«, schreibt Father Friendly aus seinem Haus in Virginia, im letzten Oktober.
»Gleich zu Beginn möchte ich Ihnen herzlich für Ihre freundlichen Worte und die Einladung nach Island danken. Die Vorstellung, auf Ihre exotische Insel zu kommen, über die ich schon viele faszinierende Dinge gehört habe, ist, gelinde gesagt, äußerst verlockend.
Mein guter Freund Reverend Carl Simonsen hat mir von Ihrer ausgezeichneten Arbeit im Namen des Herrn erzählt, und auch von dem Fernsehsender Ihres Freundes Engilbertsson habe ich bereits gehört. Es wäre mir ein Vergnügen, dort ein paar Shows zu moderieren.
Umso schwerer fällt es mir, Ihnen mitzuteilen, dass ich Ihre freundliche Einladung nicht annehmen kann. Meine Frau hatte letzten Monat einen schweren Autounfall und wird mindestens drei Monate im Krankenhaus sein. Wie Sie sicher verstehen, verbietet es sich mir, während dieser Zeit längere Reisen zu machen.
Es würde mich freuen, wenn Sie mir Anfang des Jahres 2006 noch einmal schreiben könnten.»
Professionell, aber freundlich. Ein vielbeschäftigter Geistlicher.
Armer Kerl. Dafür, dass er am Sterbebett seiner Frau bleiben wollte, wurde er mit seinem eigenen Tod belohnt. Wie grausam von mir.
Dem Brief ist ein signiertes Farbfoto von Familie Friendly beigelegt. Sie stehen vor einem großen weißen Gebäude, das ihre Kirche sein könnte, ihr Haus oder beides. Da steht mein glatzköpfiges Opfer mit dem weißen Kragen um den Hals und seiner strahlend blonden Frau Judy an seiner Seite, die Frau, mit der ich ganze zwei Sekunden verheiratet war, vor einigen Wochen, in Gutmunduhrs Auto. Sie ist eine Semischönheit aus den amerikanischen Südstaaten, die als Laura Derns immer noch relativ sexy aussehende Mutter durchgehen könnte. Tag 7. Das Paar steht stolz hinter zwei Kindern, die ungefähr acht und zehn Jahre alt sein müssen. Das eine schwarz, das andere weiß. Letzteres sitzt im Rollstuhl. Mrs. Friendly lächelt so, wie es nur Amerikanerinnen können - unmöglich, dass sie die Kamera noch sehen kann. Sie ist geblendet von Segen. Genaugenommen lächeln sie alle mit derselben Art von Enthusiasmus, als ob sie für die Werbebroschüre des besten Hotels im Himmel posieren würden. Nur im Lächeln des behinderten Kindes zeigt sich eine gewisse Enttäuschung über das Leben im Allgemeinen.
Sowohl der Brief als auch sein Aussehen erwecken bei mir den Eindruck, dass er vielleicht doch nicht so ein typischer TV-Prediger aus den Südstaaten war. Irgendwie wirkt er nicht wie ein Maschinengewehr Gottes. Er wirkt echt. Obwohl er ein Schwulenhasser war, hatte er es wohl nicht verdient, mit vierzig zu sterben. Zumindest weniger als
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