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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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»Was?«
    »Ich meine ... eine Frau. Ich habe nie eine Frau getötet.« »Nie eine Frau getötet?«
    »Nein ... also, na ja, im Krieg waren ein paar Frauen dabei, aber das tut nichts zur Sache.« »Tut nichts zur Sache?«
    »Wir hatten den Befehl zu schießen. Schießen oder erschossen werden. Entweder oder.«
    Stille. Er sieht mich an und atmet. Dann: »Bist du dir darüber im Klaren, was du getan hast?«
    »Ja.«
    »Bereust du es?« »Ja.«
    »Du hast die Macht Gottes in deine Hände genommen.« »Meinstdu ...?«
    »Das ist die schlimmste aller Sünden.«
    »Du meinst also, Gott tötet Menschen?«
    »Gott gibt das Leben und nimmt es wieder. Er regiert auf immer und ewig! Wir sollen ihm gehorchen, statt ihm ins Handwerk zu pfuschen! Wie fühlt sich das an?«
    »Wie fühlt sich was an?«
    »Wie fühlt es sich an, jemanden ZU TÖTEN?«
    »Wie ... es fühlt sich an wie ...«
    »Ja?«
    »Wie predigen.« »Was?«
    »Ja. Man fühlt sich mächtig. Man hat Macht.« »Blödsinn. Du denkst, du hast Macht über das Leben, dabei ist es der Tod, der Macht über dich hat. Wer war der Erste?« »Was?«
    »Wer war dein erstes Opfer?«
    So schnell wie eine Rakete, die von einem Flugzeugträger im Persischen Golf startet, schießen meine Gedanken an den Anfang der Liste; durch Betonböden und rostige Eisenluken, hinunter in die tiefsten Katakomben meiner Seele, wo die Dunkelheit stinkt und der Gestank dunkel ist - und brechen einen alten vergammelten Sarg auf, der in einer feuchten staubigen Ecke liegt.
    »Mein Vater«, sage ich.
    »Dein Vater?«
    »Ja.«
    »Du hast deinen Vater umgebracht?« »Ja.«
    Ich habe meinen Vater umgebracht. Das hätte ich wohl schon früher mal erwähnen sollen.
    »Du hast deinen Vater umgebracht?« »Ja.«
    »Deinen eigenen Vater?« »Ja. Aber das weiß keiner.« »Keiner?«
    »Nein. Ich habe es niemandem erzählt. Niemand hat es gesehen.«
    »Niemand hat es gesehen? Gott sieht alles! Mord bleibt immer Mord, genauso wie dein Vater immer dein Vater bleibt, auch wenn du ihn umbringst. Wie konntest du so etwas tun? Warum?«
    »Es war ...«
    »Was war es? Hat der Teufel dich mit siebzig Huren gelockt?« »Es war ein Unfall.«
    Ich habe nie darüber geredet. Allein der Gedanke daran, es nun ausgerechnet vor diesem Gottesmann zu tun, lässt meine Knie weich werden. Ich knie vor ihm wie ein halbnackter Ritter vor seiner weißgewandeten Königin. Sie lässt ihn ihr Schwert fühlen.
    »Ein Unfall? Aber du hast ihn getötet?«
    »Ja. Aber ...«
    »Aber was?«
    »Er war schuld.«
    »Er war schuld?«
    »Ja, weil...«
    Meine Batterie ist leer. Wie eine Dosis Gift, die erst fünfzehn Jahre, nachdem sie eingenommen wurde, anfängt zu wirken, hat mein großes Geheimnis mich voll im Griff und haut mich um. Inzwischen liege ich Tortur zu Füßen.
    »Was? Weil was?«
    »Weil...«
    Ein Hustenanfall schüttelt mich, zusammen mit einem Geschrei, von dem ich nicht wusste, dass ich dazu fähig war. Ich muss wie eine Robbe klingen, auf die jemand mit einem Baseballschläger eindrischt. Er hört mir eine Weile zu, dann bringt er die Szene zu Ende.
    »Du hast deinen Vater umgebracht. Gott sei deiner Seele gnädig.«
    Ich spüre, dass er seinen nackten Fuß auf meinen bebenden Rücken stellt wie ein triumphierender General auf einen gefallenen Feind. Irgendwie beruhigt mich das. Ich höre auf zu schreien, und stattdessen befällt mich ein unstillbarer Hunger. Ein Pizza-Satt-Hunger. Brunch-Buffet-Hunger. Am liebsten wäre ich in die Kirche gerannt, direkt zum Altar, und hätte an dem großen Holzkreuz geknabbert wie ein verzweifeltes Pferd.
    Ich verspüre einen sanften, menschengemachten Windhauch an meinem linken Ohr, der entweder aus Torturs Hinterteil kommen muss oder daher, dass er das Zeichen des Kreuzes über meinem unglücklichen Leib macht.
    »Gott sei deiner Seele gnädig«, wiederholt er. »So er es vermag.«
    Und er gebe mir etwas zu essen. So er es vermag.
     

22. VATERLAND
    Ich trete aus dem Höllentor, den Körper meines geliebten Vaters auf den Armen, und läute die Goldene Türglocke. Gott lässt mich eine Weile warten. Meine Bewerbung muss wohl erst durch den Härtefall-Ausschuss, bevor sie ihm vorgelegt wird.
    In der Zwischenzeit bringt Tortur mich zu sich nach Hause, in ein großes weißes Haus auf einem Hügel nicht weit von der Kirche. Er bringt mich in einem fensterlosen Raum in seinem Keller unter, wo ich nur ihn und seine Frau gelegentlich zu Gesicht bekomme. Sie erzählen mir, dass sie drei Kinder haben, die

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