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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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ich allerdings niemals höre. Offensichtlich verbringen sie ihre Tage in vollkommener Ruhe mit der Lektüre der Heiligen Schrift. Genau wie ich. Jeden Morgen wählt der Prediger drei Kapitel aus, die ich an dem Tag zu lesen habe: »Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?«
    Tortur-Therapie - Phase 3.
    Torturs Geheimwaffe ist seine Frau Hanna. Vom Aussehen her ist sie genauso ein Klassiker wie er: eine stämmige Frau mit weicher Haut, freundlichen Falten, biblischer Oberweite und angenehmer Stimme. Sie bewegt sich lautlos durch das Haus, trägt lange farblose T-Shirts und lange Röcke, langes graues Haar und kein Make-up. Wenn es eine Fernsehsendung namens Miss Mutter Erde geben würde, käme das Kamerateam bestimmt bei ihr vorbei. Man hat das Gefühl, dass ihr Pferdeschwanz jeden Tag um 50 Zentimeter wächst und sie ihn jede Nacht vor dem Schlafengehen abschneidet. Und dass sie jeden Morgen ihre Brüste melkt, die Tagesration für die Familie in den Kühlschrank stellt und den Rest an Karrierefrauen spendet, deren harte Brüste keine Milch geben. Sie ist nicht nur die Frau, die »hinter ihrem Mann steht«, sie ist ein ganzer Berg. Sie ist die christliche Nächstenliebe, die ihr grobschlächtiger Mann mit seinen feurigen Augen verkündigt.
    Der einzige Haken an Hanna ist ihr Mundgeruch, der so gar nicht zu ihrer freundlichen Ausstrahlung passt. Wahrscheinlich kommt er von dem biblischen Ausmaß an Frust, den sie im Laufe der Jahre in sich reinfressen musste. Tortur zum Mann zu haben, kann nicht einfach sein.
    Doch trotzdem. Wenn sie die einzige Frau in unserer Einheit wäre und wir einen Monat in den Bergen festsäßen, würde ich am Tag 7 anfangen, von ihr zu träumen.
    Zum Frühstück gibt es hausgemachtes Brot, das ich küsse, bevor ich es esse. Und ein Glas Milch, von der ich immer noch hoffe, dass sie auch hausgemacht ist. Zum Mittag gibt es das gleiche, aber abends gibt es immer Fleisch. Ein Lamm, ein Kalb, ein Fohlen. Irgendwas, das Tortur in seiner Garage geschlachtet hat, nehme ich an. Ich bin im Alten Testament gelandet. Unter der Obhut von Sarah, der Frau von Abraham. Mein Zimmer hat keine Fenster, mein Bett ist hart, mein Buch ist die Bibel, meine Tage sind eintönig und die Nächte werden zunehmend friedlicher.
    Die Therapie scheint zu funktionieren.
    Ich habe hundert Morde aus dem Weg geräumt. Bleibt nur noch einer. Jeden Tag kommt mein bebrillter Fürsorger und hört mir eine halbe Stunde zu. Auch seine Lust auf Gewalt ist alttestamentarisch. Trotzdem wirkt sein Blick nun weniger verrückt, aber vielleicht habe ich mich auch nur daran gewöhnt. Er erzählt mir von seinen eher unorthodoxen Methoden.
    »Ich habe einen schwarzen Gürtel in Judo und Karate. Etwas anderes hat mich früher überhaupt nicht interessiert. Dann habe ich als 35-Jähriger meine Frau kennengelernt. Sie hat mich zu Gott geführt. Ich sage immer, dass ich Gott geheiratet habe«, sagt der bärtige Mann mit einem sanften Lachen. Ich glaube, langsam verstehe ich sein Gerede von dem Beschneiden des Herzens. Wenn du mit Gott verheiratet bist, ist das sicherlich Bedingung. Weiterhin lachend fügt er hinzu: »Ich hatte Glück.« Irgendwie klingt sein Lachen künstlich. Als ob er es im Predigerseminar gelernt hätte, um seine Ansprachen hier und da etwas aufzulockern. »Nein. Ich tue einfach nur das, womit ich dem Herrgott am besten dienen kann. Wir haben ein Sprichwort auf Isländisch, dass man das Böse mit Bösem bekämpfen muss.«
    Immer und immer wieder erinnere ich mich an den schlimmsten Moment meines Lebens und versuche, ihn langsam zu begraben. Versuche, meinen Vater anständig zu begraben. In einem dunklen Lokal auf der East Side habe ich mal einen Künstler getroffen. Er sagte mir, dass er nur die Bilder malt, die er nie wieder sehen will. »Das ist wie den Müll runterbringen, Mann.« Er steckte gerade in einer hässlichen Scheidung, sagte er, und malte nur seine Exfrau. Riesige, ekelhafte Aktbilder.
    Fünfzehn Jahre hat mich dieser Horror gequält. Fünfzehn Jahre habe ich meinen toten Vater mit mir herumgetragen wie ein ungeborenes Kind. Vielleicht war ich deswegen immer so dick. Doch nun, wo er das Licht der Welt erblickt hat, kann ich hoffentlich aufhören, mich wie ein Vogel Strauß mit Verstopfung zu verhalten. Die Geburt hat höllisch weh getan, aber ich hatte eine super Hebamme: einen isländischen Priester im Karate-Anzug. Und so

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