Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
möglich. Dieser Anschlag würde auch die überhastete Flucht des Snipers erklären. Mertel glaubt, dass er seinen Rucksack in der Hektik runtergeworfen hat. Und der ist dann möglicherweise auf einem Ast aufgeschlagen. Dabei könnte der Diskus herausgefallen sein. Na ja, egal. Jedenfalls wurde nach diesem Attentat der Jäger plötzlich selbst zum Gejagten.«
Tannenberg ging ein Licht auf. »Dann wird dieser Scheiß Zörntlein …«, als er den Namen aussprach, verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen, »dahinterstecken.«
»Das sehe ich genauso. Meiner Meinung nach handelt es sich bei diesem Schützen um denselben, der Kronenberger und wahrscheinlich auch Thomas Rettler getötet hat und dessen Kugeln dich nur knapp verfehlt haben.«
»Aber wieso hat er John nicht getroffen?«
»Dich hat er ja auch nicht getroffen – leider.«
»Verdammt, Rainer, wir können diesem Saukerl die Täterschaft einfach nicht nachweisen. Du hast vorhin doch selbst gesehen, dass wir an ihn und seine Schattenmänner nicht herankommen. Der hat offenbar Rückendeckung von ganz weit oben. Die haben Hollerbach unter Druck gesetzt, und dieser kleine Hosenscheißer hat sich natürlich nicht dagegen gewehrt.«
Tannenberg schnaubte verächtlich. »Ist ja auch nur allzu verständlich, schließlich will der Herr Oberstaatsanwalt noch Karriere machen. Die haben uns die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt, indem sie falsche Spuren gelegt, Beweismittel vernichtet und was weiß ich noch alles getrickst haben. Wir waren nichts als ihre nützlichen Idioten.«
Er reckte einen Zeigefinger empor. »Und eins muss uns klar sein: Die besitzen die Macht, auch weiterhin alles zu verschleiern und in ihrem Sinne zu manipulieren.« Tannenberg wurde von einer weiteren Eingebung heimgesucht. »Klar, ich hab jetzt auch die Erklärung dafür, wie Zörntlein das vorhin geschafft hat.«
»Was?«
»Innerhalb kürzester Zeit John zu erschießen, unerkannt zu verschwinden und Minuten später bei uns im Bus aufzutauchen. Als Schauß und ich zum Parkhaus gerannt sind, haben wir einen Kleinbus mit verklebten Scheiben gesehen. Da saß er garantiert drin und hat sich gerade umgezogen. Auf diese Weise hat er natürlich auch die Tatwaffe abtransportiert.«
»Interessante Theorie«, lobte Dr. Schönthaler kauend. »Aber woher konnte er wissen, dass John in diesem Herschweiler-Dingsbums ein Attentat verüben wird? Das konnte er nicht aus dem Polizeifunk erfahren haben.«
»Vielleicht ist er ihm irgendwann zufällig hier in der Stadt begegnet, oder er wusste, wo Johns Auto stand und hat einen Peilsender angebracht.«
»Aber wieso tötet er ihn nicht, wenn er ihm schon so nahe gekommen ist?«
»Womöglich wollte er nur einen optimalen Zeitpunkt abwarten. Oder aber er wollte einen anderen Ort suchen, an dem er unbeobachteter zuschlagen konnte.«
»Kann sein. Oder er wollte sich an John rächen, indem er seinen Plan durchkreuzt und John selbst als Opfer auf diesem Sportplatz ablegt.« Dr. Schönthaler klatschte in die Hände und knetete sie. »Ach, was weiß denn ich. Ist mir inzwischen auch schnurzpiepegal«, sagte er und wandte sich wieder dem Verzehr der Hausmannskost zu.
Tannenberg zog die Stirn in Falten und rümpfte die Nase. »Sag mal, Rainer, irgendwie scheint dich diese ganze Geschichte überhaupt nicht sonderlich aufzuregen. Du sitzt hier gemütlich rum, schmunzelst vor dich hin«, er machte eine ausladende Handbewegung über die Hausmacherplatte hinweg, »und schlägst dir in aller Ruhe den Bauch voll.«
Der Rechtsmediziner bedachte ihn mit einem hämischen Blick. »Weißt du, ich freue mich eben bärenmäßig darüber, dass dieser George-Clooney-Verschnitt nun endlich auch dir sein wahres Gesicht gezeigt hat. Im wahrsten Wortsinne übrigens! Wobei man natürlich objektiv feststellen muss, dass auch nach seinem neuen Styling immer noch eine gewisse Ähnlichkeit mit Clooney vorhanden ist. Hast du inzwischen eigentlich schon mal darüber nachgedacht, aus welchem Grund er diese Double-Show veranstaltet hat?«
Tannenberg seufzte. »Tja, das frage ich mich auch gerade. Zumal er dadurch ziemlich auffiel und viel leichter zu identifizieren war.«
»Doch nur in seiner Maskerade, Wolf«, wandte der Pathologe ein. »Ich schätze mal, dass er bei seinen Anschlägen so ähnlich ausgesehen hat, wie vorhin im Bus. Außerdem dürfte er eine Gesichtsmaske getragen haben.«
Dr. Schönthaler biss in sein Hausmacherbrot und brummte genüsslich. »Hmh, schmeckt
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