Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
vor den Mund warf.
»Nee, der sieht wirklich nicht aus wie ein George Clooney, höchstens wie einer, der vor ein paar Monaten mit seinem Gesicht in einen Häcksler hineingeraten ist.«
»Also, ich versteh jetzt gar nichts mehr.«
»Na ja, Wolf, das ist ja nun wirklich nichts Neues bei dir.«
17
Wie erstarrt blickte Tannenberg weiter auf das von Narben entstellte Gesicht des Mannes.
Derweil legte sein bester Freund nach: »Als leidenschaftlicher Hobby-Kriminalist gebe ich dir mal einen entscheidenden Hinweis. Er wird dir hoffentlich den nötigen Durchblick verschaffen. Was hältst du denn davon, wenn ich behaupte, dass dein geliebter Johannes ein Berufskiller ist, der von vornherein den Auftrag hatte, diesen sogenannten John zu liquidieren. Damit er sein Insiderwissen nicht weitergeben kann. Ich glaube, davor hatten nämlich gewisse Leute einen ziemlichen Bammel.«
»Diesen Auftrag hat er ja nun wohl auch erledigt«, seufzte Tannenberg.
»So ist es. Und zwar zur vollsten Zufriedenheit seiner Auftraggeber. Die ihm garantiert nicht böse sind, dass er quasi so nebenbei auch noch Thomas Rettler und diesen Oberstabsarzt mundtot gemacht hat«, ergänzte Dr. Schönthaler
»Mit Ihrer beeindruckenden Fantasie sollten Sie unbedingt einen Thriller schreiben«, ertönte plötzlich eine markante Stimme im Rücken der beiden Freunde.
Verdutzt wandten sie ihre Köpfe um – und trauten ihren Augen nicht: Vor ihnen stand Johannes Zörntlein und lächelte sie an. Allerdings ähnelte er dem Hollywood-Schauspieler kaum mehr: Die grau melierten Haare waren nicht mehr nach hinten gekämmt und mit Gel frisiert, sondern hingen wuschelig in die gebräunte Stirn hinein. War er noch vor ein paar Tagen der Inbegriff einer akkuraten Glattrasur, so zierte nun ein dichter Dreitagebart Wangen und Kinn. Überdies war er nicht mehr wie ein Zorro-Verschnitt ganz in Schwarz gehüllt, sondern trug Bluejeans und ein buntes, sportliches Sommerhemd.
Auch hatte er sich offenbar von seinem geheimnisvoll-verführerischen Blick verabschiedet, mit dem er noch vor Kurzem nicht nur die Damenwelt verzaubert hatte. Eigentlich sah er jetzt einfach nur noch ganz normal aus, wie der sympathische Nachbar von nebenan, den man gerne ab und an zum Grillen einlud.
»Wo hast du denn die ganze Zeit über gesteckt?«, fragte Tannenberg, dem die Verblüffung über Zörntleins Erscheinen deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
»Ich war bei meiner Familie in Lyon. Meine Tochter hatte Geburtstag.«
»Und wieso warst du nicht für uns erreichbar?«
»Weil ich meiner kleinen Sophie-Claire ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk gemacht habe: Ich habe ihr versprochen, dass sie einen ganzen Tag lang den Papi für sich alleine haben darf. Deshalb haben wir alle Telefone ausgeschaltet.«
»Mir kommen vor Rührung gleich die Tränen«, giftete der Gerichtsmediziner und erhob sich.
Tannenberg tat es ihm gleich. Zörntlein ergriff seine Hand und drückte sie fest. »Schön, dass es dir gut geht, Wolf. Ich habe von dem Anschlag auf dich gehört. Gott sei Dank ist dir nichts passiert.«
»Und warum bist du schon wieder da?«
Zörntlein seufzte. In eine fahrige Handbewegung hinein sagte er: »Na ja, wegen dieser leidigen Angelegenheit hier.«
Was zieht der Kerl denn gerade für eine miese Show ab, fragte sich Dr. Schönthaler im Stillen. Und dieser blöde, naive Wolf fällt auch noch drauf rein. Er stützte die Arme provokativ auf die Hüftknochen und fixierte Zörntlein von der Seite her mit einem durchdringenden Blick.
»Dann erklären Sie vorbildlicher Familienvater uns doch bitte einmal, weshalb man Ihren werten Namen weder beim BKA noch sonst wo kennt«, wollte der Pathologe wissen.
Der BKA-Experte senkte die Stimme ab und nahm den Kopf nach vorne, so dass ihn außer den beiden im Bus niemand hören konnte. »Johannes Zörntlein ist mein Deckname.«
»Na, so weit sind wir auch schon«, höhnte der Gerichtsmediziner.
Zörntlein ignorierte die Unterbrechung und fuhr wispernd fort: »In der Interpol-Zentrale in Lyon werden aus Sicherheitsgründen alle hochrangigen Mitarbeiter der Abteilungen Terrorismusbekämpfung und Organisierte Kriminalität nur unter ihrem Decknamen geführt.« Noch leiser ergänzte er: »Unsere wahre Identität kennen nur ganz wenige. Ihr glaubt ja gar nicht, wie viele unserer Kollegen auf der Gehaltsliste der Gegnerseite stehen.«
Während man Tannenbergs Erleichterung über diese Klarstellung anmerkte, schien der Rechtsmediziner innerlich
Weitere Kostenlose Bücher