Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Schuhgröße schätzt du?«, fragte Mertel.
»43-45«, gab der Spurensicherer zurück. »Grobes Profil, wie bei Wander- oder Trekkingschuhen.«
»Und wieder saß dieser Irre dort oben in irgendeinem Baum und hat in aller Ruhe auf sein nächstes Opfer gewartet. Und wieder konnten wir die Tat nicht verhindern. Verdammte Hacke!«
»Wie denn auch, Wolf? Bei dem Tempo, das der Kerl vorlegt, haben wir doch gar keine Chance«, sagte Mertel in resigniertem Ton.
»Aber warum ist er nicht direkt von hier verschwunden, nachdem er unseren Kollegen wie einen räudigen Hund abgeknallt hat?«, fragte Tannenberg. Er fletschte die Zähne und zischte durch die geschlossenen Zahnreihen: »Dieser elende Saukerl!«
Für ein paar Sekunden legte sich andächtige Stille über das Schießplatzgelände.
Doch dann wetterte Tannenberg weiter: »Dieser Typ muss völlig durchgeknallt sein. Warum geht er dieses Risiko ein und verduftet nicht sofort? Warum kommt er hier runter und legt in aller Seelenruhe dem armen Kollegen die Kugel auf den Bauch?«
»Na ja, er tut eben alles, um seinen perversen Zehnkampf-Plan zu verwirklichen«, bemerkte Sabrina.
»Und dann auch noch auf einem Schießplatz des Polizeisportvereins«, stieß Tannenberg kopfschüttelnd aus.
Anschließend trotteten die drei Kriminalbeamten zurück zum Leichnam des ermordeten Polizeibeamten.
»Möglicherweise holt er sich gerade durch diese Gefahrensituation den entscheidenden Kick«, spekulierte Zörntlein. Trotz der Entfernung hatte er jedes Wort mitgehört. Er seufzte tief auf, während sein Blick auch weiterhin auf dem Oberkörper des neuen Opfers ruhte.
»Jedes Mal, wenn ich vor einem ermordeten Kollegen stehe, wird mir klar, wie erschreckend schmal in unserem Beruf der Grat zwischen Leben und Tod ist«, fuhr Zörntlein sichtlich ergriffen fort.
»Das ist wahr, Johannes«, stimmte Tannenberg zu. Als solidarische Geste legte er dem BKA-Beamten die Hand auf die Schulter.
Von der Ferne her hörte man das anschwellende Sirenengeheul mehrerer Einsatzfahrzeuge, die offenbar auf der unterhalb des PSV-Sportplatzes gelegenen Entersweilerstraße stadtauswärts fuhren.
Zörntlein riss den Kopf um. »Was soll’s, wir dürfen uns durch diese brutalen Verbrechen nicht in Lethargie stürzen lassen.« Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Warum tut dieser Verrückte das? Warum begibt er sich unnötig in Gefahr?«
»Vielleicht ist der Täter tatsächlich ein Adrenalinjunkie, einer, der ganz scharf auf solche Grenzerfahrungen ist«, knüpfte Mertel an Zörntleins vorherige Bemerkung an.
»Oder das Gegenteil ist der Fall und er hat Drogen eingeworfen, die ihm die Angst nehmen. Vielleicht ist er deshalb so cool«, spekulierte der Leiter der Mordkommission. Er senkte den Kopf und strich sich ein paar Mal an der linken Braue entlang.
»Möglicherweise spielt ja auch dieser Ort hier eine entscheidende Rolle«, meinte Zörntlein.
Tannenberg warf die Stirn in Falten. »Inwiefern?«
»Na ja, es könnte doch sein, dass der Täter absichtlich seinen dritten Mord auf dem Gelände eines Polizeisportvereins verüben wollte.« Mit Blick auf den durch eine Betonwand abgetrennten Schießstand, schob der BKA-Beamte erläuternd nach: »Einem Verein, der eine Schützenabteilung hat.«
»Die auch zivilen Mitgliedern offensteht«, warf Mertel ein.
Zörntlein nickte. »Denkt doch mal an die zahlreichen Feuerwehrmänner, die Brände gelegt haben.«
»Du meinst, der Täter könnte Mitglied des PSV sein?«
»Warum nicht. Vielleicht ist er sogar einer von uns«, formulierte Mertel eine ebenso naheliegende wie erschreckende Schlussfolgerung. »Ein Polizist als Serienkiller. Das wäre natürlich ein Hammer!«
»Hmh«, brummte Sabrina skeptisch. »Ich weiß nicht. Ein durchgeknallter Sportschütze oder gar ein Polizeibeamter als Täter? Wo sollten die sich denn ein Spezialgewehr besorgt haben?«
»Ganz einfach, Sabrina. Wenn der Kollege zu einer SEK-Einheit gehört, ist diese Präzisionswaffe quasi sein Handwerkszeug.«
»Ja, schon, Wolf, aber der Täter müsste doch damit rechnen, dass er einer der Ersten wäre, die man überprüft.«
»Das ist richtig«, stimmte Tannenberg zu. »Sag mal, mit diesen Recherchen habe ich doch deinen Mann beauftragt. Hat er schon irgendetwas erfahren, das er noch nicht an mich weitergegeben hat?«
»Nein, natürlich nicht«, gab Sabrina in entschiedenem Ton zurück. »Warum sollte er dir wichtige Informationen vorenthalten?«, fragte sie pikiert. »Meines Wissens
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