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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Landstraße gehindert werden sollten. Schmunzelnd erinnerte er sich an das Gedicht, das sein Bruder am Sonntag beim Mittagessen präsentiert hatte. Doch als er an den Anlass dieser nächtlichen Autofahrt dachte, verflüchtigte sich sein Lächeln.
    Nachdem sie den Hungerbrunnen passiert hatten, ging es die engen Serpentinen hinauf zum sogenannten Stall, wo die L 504 die bei Motorradfahrern sehr beliebte B 48 kreuzte. Sie überquerten die Bundesstraße und fuhren nun wieder bergabwärts. Da die merkwürdig nach oben gewölbte, holprige Straße den Charakter einer Stoßdämpfer-Teststrecke hatte, wurden sie heftig durchgeschüttelt.
    Als die Kriminalbeamten in der Harzofenstraße eintrafen, schoben sich vom Leinbachtal her milchige Nebelschwaden in den Ort hinein. Das Licht der Straßenlaternen kämpfte tapfer gegen die wabernden Dunstschleier an, doch es hatte keine Chance gegen die zähflüssige, trübe Masse, die das Walddorf zu ersticken drohte.
    Melanie Sprengard, eine hagere Endzwanzigerin, öffnete die Haustür und blickte die Besucher verwundert an. Auf ihrem Arm trug sie einen knapp vier Monate alten, schlafenden Säugling.
    »Bitte?«, hauchte die junge Mutter. Ihre rechte Hand umschloss den Hinterkopf des Babys, so als wolle sie es demonstrativ vor den Unbilden des Lebens beschützen.
    Tannenberg zeigte ihr seufzend seinen Dienstausweis. »Guten Abend, Frau Sprengard. Mein Name ist Tannenberg. Das sind meine Kollegen Schauß und Zörntlein. Könnten wir bitte ins Haus gehen?«
    Die junge Mutter erbleichte, ihre Hände zitterten. »Ist etwas mit Pascal? Ist ihm etwas passiert?«, keuchte sie mit weit aufgerissenen Augen.
    »Kommen Sie, lassen Sie uns bitte reingehen.«
    Fürsorglich legte Sabrina den Arm um die Schulter der Frau, drehte sie behutsam um hundertachtzig Grad und schob sie sanft an. Wie ein debiler Greis ließ sich Melanie Sprengard von der Kommissarin durch einen geräumigen Flur in ein modern eingerichtetes Wohnzimmer führen. Lethargisch legte sie ihr Baby in ein Reisebettchen und sank anschließend matt auf einen Couchsessel nieder.
    »Was ist mit ihm?«, fragte sie mit dünner, unsicherer Stimme.
    Tannenberg räusperte sich und schluckte hart. »Frau Sprengard, Sie müssen jetzt sehr stark sein.«
    Ein todtrauriger, verzweifelter Blick flehte ihn an, um Gottes willen nicht das zu sagen, was er nun doch sagen musste.
    Ich hasse diesen Scheiß-Job!, fluchte er im Stillen. Wie betend verhakte er die Hände ineinander und sagte: »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
    Sprengards Ehefrau presste eine Hand vor den Mund. Die Muskeln in ihrem aschfahlen Gesicht zuckten, sie warf den Kopf wild hin und her. »Nein, nein«, schrie sie mit schmerzverzerrtem Gesicht und stieß Töne aus wie ein weidwundes Tier.
    Den Kriminalbeamten jagten eiskalte Schauder den Rücken hinunter. Das Baby erwachte und plärrte aus vollem Halse.
    »Haben Sie jemanden hier in der Nähe, der sich jetzt um Sie kümmern kann?«, fragte Sabrina voller Mitgefühl.
    Die verzweifelte junge Mutter hatte die Frage offenbar nicht gehört, denn sie antwortete nicht, sondern schlurfte mit hängendem Kopf zu ihrer kleinen Tochter und nahm sie auf. Erst als Sabrina noch einmal das Gleiche fragte, reagierte sie.
    »Meine Schwester … wohnt auf der … anderen Straßenseite«, gab sie schniefend zurück.
    »Ich übernehme das«, sagte Zörntlein und verließ das Wohnzimmer.
    Höchstens zwei Minuten später erschien eine etwa 35-jährige, ebenfalls ausgesprochen hagere Frau in Begleitung ihres Ehemanns.
    An eine Befragung ist derzeit überhaupt nicht zu denken, schätzte Tannenberg die Lage ein. Die arme Frau steht unter Schock. Was soll sie uns auch schon Wichtiges sagen? Aufgrund der Tatumstände können wir nicht erwarten, dass sie uns irgendwelche Hinweise geben könnte. Nach dem aktuellen Stand der Dinge ist nicht von einer direkten Täter-Opfer-Beziehung auszugehen.
    Der Heckenschütze hat sein Opfer sehr wahrscheinlich wieder willkürlich ausgewählt. Bestimmt hat er es vor dem Anschlag einige Zeit lang beobachtet. Das aber wohl eher oben auf dem Sportplatz und nicht dort, wo Sprengard gelebt und gearbeitet hat. Absolute Priorität hatte wohl der Ort, an dem er töten wollte. Nicht die Person – die war austauschbar.
     
    Gegen 21 Uhr kehrten die drei Todesboten ins K 1 zurück. Tannenberg staunte nicht schlecht, denn Eva Glück-Mankowski saß hinter seinem Schreibtisch und

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