Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
hat noch niemand auf seine Anfragen reagiert.«
»Dann soll er diesen Schnarchnasen mal anständig Druck machen. Am besten über den Hollerbach. Richte ihm das bitte aus.«
»Mach ich.« Sabrina presste ihre vollen Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und legte sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Es gibt da vielleicht noch eine andere mögliche Motivvariante«, sagte sie.
»Und welche?«, wollte Zörntlein wissen.
»Nehmen wir einmal an, der Täter hat es eigentlich nur auf eines der drei Opfer abgesehen und …«
»Und hat die beiden anderen quasi als Ablenkung von seinem eigentlichen Tatmotiv ermordet«, vollendete Mertel.
Tannenberg klatschte in die Hände. »Leute, das ist mir alles bei Weitem zu diffus und spekulativ. Wir sollten uns streng an die Fakten halten: Wieder hat dieser Irre auf einem Baum seinem Opfer aufgelauert. Wieder hat er es mit einem einzigen Präzisionsschuss getötet. Wieder hat er sich in aller Seelenruhe zu seinem Opfer begeben und ihm die Hände gefaltet.«
»Und wieder hat er am linken Bein seines Opfers einen Kabelbinder mit einem Kofferanhänger angebracht«, meldete sich Mertel zu Wort. Auf Tannenbergs suchenden Blick hin, fügte er hinzu: »Wir haben ihn bereits entfernt.« Mit einem Handzeichen signalisierte er einem Kollegen, ihm den Plastikbeutel mit dem entsprechenden Asservat zu zeigen.
»Perfekter Mord ist Leistungssport«, las der Leiter des K 1 vor.
»Hallo, Jungs«, ertönte in seinem Rücken plötzlich die markante Stimme des Rechtsmediziners. »Und Mädel natürlich«, schob dieser geschwind nach. »Pardon, Sabrina, ich wollte dich nicht …«
Dr. Schönthaler stockte, denn er hatte gerade einen ganz in Schwarz gekleideten, ihm unbekannten Mann entdeckt, der ihn an irgendjemanden erinnerte, er wusste nur nicht, an wen. Er zog die Stirnpartie in Falten und fragte: »Wer sind Sie denn? Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.«
»Nein, Rainer, er ist nicht George Clooney, sondern …«
»Wer ist George Clooney?«, mimte der Pathologe den Unwissenden, obwohl ihm sein Gehirn bereits den Hinweis auf den Hollywoodstar eingespielt hatte.
Er wusste nicht, wieso, aber dieser Mensch war ihm auf Anhieb unsympathisch. Vielleicht lag es daran, dass der nobel gekleidete Mann solch einen unglaublich netten Eindruck erweckte. Derartige Zeitgenossen waren ihm von vornherein suspekt. Vielleicht rührte diese spontane Antipathie aber auch daher, dass dieser gestylte Frauentyp bezüglich seines edlen Outfits durchaus das Zeug hatte, dem stets mit Anzug und Fliege ausstaffierten Gerichtsmediziner die Show zu stehlen.
»Sie sind garantiert ein neuer Bestatter, oder?«, frotzelte er deshalb.
Tannenberg warf seinem Freund einen maßregelnden Blick zu. »Der liebe Kollege Zörntlein ist ein zur Interpol abgeordneter BKA-Experte in Sachen Terrorismus und Organisierte Kriminalität«, antwortete er geradezu ehrfürchtig. »Johannes ist erst seit ein paar Stunden bei uns.«
»Ich vergöttere Experten«, erklärte Dr. Schönthaler mit einem ironischen Unterton.
Ohne die von dem Clooney-Double entgegengestreckte Hand zu ergreifen, kniete er sich neben dem Leichnam nieder. Dr. Schönthaler war ziemlich verwundert darüber, dass sein alter Kumpel urplötzlich die seit vielen Jahren kultivierte, beiderseitige Aversion gegenüber Mitarbeitern des LKA und BKA abgelegt zu haben schien. Aber mehr noch irritierte ihn die Tatsache, dass er ihm diesen supersympathischen und superkompetenten Beamten mit dessen Vornamen präsentiert hatte.
»Eigentlich kann ich ja gleich wieder nach Hause fahren und weiteressen. Unser neuer Bestatter kann mir den Leichnam nachher in die Pathologie fahren. Ich nehme ihn mir dann morgen früh als Ersten vor«, brabbelte er, während er das Einschussloch inspizierte.
»Du machst doch gerade Scherze, oder?«, grollte Tannenberg. »Du musst natürlich noch heute Abend ran.«
»Schon wieder ein Volltreffer mitten ins Herz«, diagnostizierte der Pathologe, ohne auf Tannenbergs Bemerkung einzugehen. »Dieser Täter könnte sich wirklich mal etwas Neues einfallen lassen. Das wird ja allmählich langweilig.« Er grinste breit. »Obwohl, die Präzision, mit der dieser durchgeknallte Scharfschütze tötet, hat schon etwas Faszinierendes, das muss ich wirklich zugeben.«
Zörntlein meldete dezente Bedenken hinsichtlich dieses Wortgebrauchs an: »Na ja, ich weiß nicht recht, ob Faszination …«
Dr. Schönthaler ließ ihn jedoch nicht ausreden, sondern posaunte mit
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