Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
lauter Stimme: »Wobei, wenn ich mir’s recht überlege, bringen diese Wiederholungen durchaus auch Vorteile mit sich. Ich kann nämlich einfach den Obduktionsbericht eines der ersten beiden Opfer kopieren. Steht ja sowieso immer das Gleiche drin.« Über seine Schulter hinweg feuerte er einen spöttischen Blick in Richtung seines alten Freundes ab. »Dann hast du auch das gewünschte Obduktionsergebnis in einer halben Stunde auf dem Schreibtisch.«
»Todeszeitpunkt?«, knurrte Tannenberg.
»Haben wir gleich, mein liebes Wölfchen«, flötete der Gerichtsmediziner, ohne ihn dabei anzuschauen. Mit dem Oberarm gab er Mertel einen kleinen Schubs. »Komm, Karl, hilf mir mal, unseren Sportkameraden zur Seite zu drehen.«
»Warte«, sagte der Kriminaltechniker und wandte sich an seinen Kollegen, der mit einer Kamera in der Hand neben ihm stand. »Hast du schon genug Fotos gemacht?«
Der in einen weißen Overall gehüllte Kriminalbeamte nickte, woraufhin Mertel die Eisenkugel vom Bauch des Opfers hob und sie vorsichtig in einen Plastikbeutel schob. »Verdammt schwer, dieses blöde Ding.«
Nachdem der Rechtsmediziner rektal die Körpertemperatur Pascal Sprengards gemessen hatte, verkündete er: »Vor circa einer bis eineinhalb Stunden hat sich dieser begnadete Kugelstoßer aus allen irdischen Sportarenen für immer verabschiedet. Wie tönt es aus des Volkes Mund sofort: Sport ist eben Mord.«
Tannenberg blies mit rollenden Augen die Backen auf. »Also ist der Tod heute Abend zwischen 18 und 18 Uhr 30 eingetreten.«
»Wieder mal eine logische Spitzenleistung von dir«, versetzte Dr. Schönthaler. Erst jetzt nahm er seinen Freund wieder direkt in Augenschein. Dabei registrierte er verwundert, dass Johannes Zörntlein offensichtlich verschwunden war. »Wo ist dieser aalglatte Lackaffe denn hin? Pomade in die Haare schmieren?«, frotzelte er.
»Vielleicht ist er aufs Klo«, wisperte Sabrina.
»Sag ich doch, zum Schminken«, gab der Pathologe zurück. »Was will dieser BKA-Fuzzi denn eigentlich hier?«
»Uns helfen«, erwiderte Tannenberg. »Warum verhältst du dich ihm gegenüber eigentlich so komisch? Was hast du denn gegen ihn?«
»Ich mag solche karrieregeilen Smiler-Typen einfach nicht. Der hat sich dieses gewinnende Dauerlächeln garantiert in seine Clooney-Verschnitt-Visage hineinoperieren lassen.«
»Mann, bist du gut drauf.«
Johannes Zörntlein bog um die Ecke und erstickte damit den kontroversen Dialog.
»Schönen Abend noch, die Herrschaften«, verabschiedete sich daraufhin Dr. Schönthaler und trottete aus dem PSV-Gelände.
»Wer hat den Toten überhaupt gefunden?«, wollte Tannenberg von Mertel wissen.
»Ein Spaziergänger, der hier oben regelmäßig seinen Hund ausführt.«
»Hat er irgendeine ungewöhnliche Beobachtung gemacht? Ein PKW oder eine sich auffällig verhaltende Person?«
Der Spurenexperte schüttelte den Kopf. »Nee, absolut nix.«
»Verflucht. Wir können noch nicht mal eine Hundertschaft den Wald durchkämmen lassen, weil es spätestens in einer halben Stunde dunkel ist.«
»Ja, das macht wohl erst morgen früh bei Tageslicht Sinn«, pflichtete ihm Mertel bei. »Wir suchen auf alle Fälle noch weiter nach verwertbaren Täterspuren. Vielleicht entdecken wir ja diesmal irgendeinen Hinweis auf diesen Mistkerl. Man soll die Hoffnung ja bekanntlich nie aufgeben.« Die Klangfärbung seiner Worte verwies darauf, dass er der aufwendigen nächtlichen Suchaktion nicht unbedingt optimistisch entgegenblickte.
Ebenso wie das Mordopfer verrichteten die beiden Streifenpolizisten, die als Erste am Tatort eingetroffen waren, ihren Dienst in der Polizeiinspektion in der Gaustraße. Deshalb wussten sie über die persönlichen Verhältnisse des Mordopfers recht gut Bescheid. Danach hatte Pascal Sprengard vor zwei Jahren geheiratet und lebte mit Frau und kleiner Tochter in Waldleiningen, einer kleinen Gemeinde südöstlich von Kaiserslautern.
8
Mit betretenen Mienen bestiegen Tannenberg, Sabrina und Johannes Zörntlein das Zivilfahrzeug. An der Abzweigung zur Velmannstraße entschied sich die junge Kommissarin spontan für die kürzere, allerdings schlechter ausgebaute Fahrstrecke nach Waldleiningen, die über die Entersweilerstraße führte.
Kurz hinter dem Stiftswalder Forsthaus entdeckte Tannenberg ein Verkehrsschild mit dem Warnhinweis ›Vorsicht Krötenwanderung‹. Gleich darauf tauchten die grauen Fangzäune im Scheinwerferlicht auf, mit denen die Kröten am verlustreichen Überqueren der
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