Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Kollegen, wobei Sabrina, eigentlich die Sportlichste von allen, nur mit Abstand folgen konnte.
»Wo?«, schrie Tannenberg in den Hörer.
»Merzalben? Verdammt, das sind ja mindestens 50, 60 Kilometer von hier.«
Die drei eilten zu ihrem Dienstfahrzeug.
»Wolf, ich hab Kreislaufprobleme und bin total fertig. Ich glaube, ich kann jetzt kein Auto fahren.«
»Klar, Sabrina, ich hab ja ganz vergessen, dass du eine Nachtschicht hinter dir hast. Ich hätte dich gar nicht mitnehmen dürfen.«
»Doch, ich will dabei sein. Ich bin bestimmt auch gleich wieder fit.«
In geradezu halsbrecherischem Tempo raste Tannenberg über die A 63 bis zur Anschlussstelle Kaiserslautern-Centrum. Von dort aus nahm er die A 6 und wechselte kurz hinter Landstuhl auf die A 62. An der Abfahrt Thaleischweiler-Fröschen verließ er die Autobahn und jagte über die Landstraße nach Merzalben.
Gegen 10 Uhr 15 trafen die Kriminalbeamten an dem im nördlichsten Zipfel von Merzalben gelegenen Sportgelände des FC Gräfenstein ein. Bereits der erste Blick ins Stadion brachte die bittere Gewissheit, dass der Heckenschütze nun auch noch die fünfte Disziplin seines makabren Scharfschützen-Zehnkampfs absolviert hatte: Mitten auf der Ziellinie einer 400-Meter-Aschenbahn lag ein mit einem Präzisionsschuss getöteter Rentner. An seinem linken Fußgelenk war ein Kabelbinder mit einem ledernen Kofferanhänger angebracht.
›Wozu das, Jon? Warum in aller Welt?, fragte seine Mutter‹, stand darauf in blutroten Lettern zu lesen.
Unmittelbar nach dem Mordanschlag auf den Polizeibeamten Pascal Sprengard hatte Kriminaldirektor Eberle in Absprache mit dem Polizeipräsidenten und der Staatsanwaltschaft damit begonnen, eine Sonderkommission zusammenzustellen. Jeder verfügbare Kriminalbeamte des Polizeipräsidiums Westpfalz wurde per Dienstanweisung zur SOKO abgeordnet, deren Leitung Tannenberg übertragen wurde.
Das große Konferenzzimmer der Kriminalinspektion am Pfaffplatz wurde zum Lagezentrum erklärt und entsprechend eingerichtet. Die erste Zusammenkunft der neu gegründeten SOKO ›Sniper‹ war auf Mittwochmorgen, 9 Uhr, angesetzt worden. Doch wegen der dramatischen Ereignisse der letzten Stunden wurde die anberaumte Dienstbesprechung bis zum Eintreffen Tannenbergs und seiner Mitarbeiter zeitlich nach hinten verschoben.
Gegen 13 Uhr trat der Kaiserslauterer Polizeipräsident vor die etwa zwei Dutzend Kriminalbeamten, die sich im Konferenzzimmer eingefunden hatten. Selbstredend waren auch Vertreter der Staatsanwaltschaft zugegen.
»Liebe Kollegen, unsere ansonsten so beschauliche Pfalz wird gegenwärtig von einer Mordserie erschüttert, die meines Wissens in der deutschen Kriminalgeschichte nach ihresgleichen sucht.« Er befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze und räusperte sich. »Wir haben es offensichtlich mit einem eiskalten, skrupellosen Täter zu tun. Menschenleben scheinen ihm nicht das Geringste zu bedeuten. Er löscht sie mit leichter Hand aus, so als ob er einen Lichtschalter nach dem anderen ausknipsen würde.«
Mit einem bekümmerten Seitenblick auf Tannenberg ergänzte er: »Leider haben wir bislang noch keinen einzigen Anhaltspunkt, von einer heißen Spur ganz zu schweigen. Deshalb möchte ich Sie bitten, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um diesem gemeingefährlichen Psychopathen so schnell wie möglich das Handwerk zu legen.«
Anschließend übergab er das Wort an den mit der Aufklärung dieser Verbrechen beauftragten SOKO-Leiter. Zuerst stellte Tannenberg seinen Kollegen die LKA-Profilerin vor, dann berichtete er in Kurzfassung über die beiden neuerlichen Mordanschläge.
»Die Identitäten der in Rockenhausen und Merzalben aufgefundenen Toten sind uns inzwischen bekannt«, verkündete er und notierte die Namen der Opfer unter die der anderen drei. »Es handelt sich dabei um den Apotheker Dr. Lars Kaufmann sowie um den Rentner Alfons Freiberg. Nach den vorläufigen Schätzungen unseres Rechtsmediziners wurden die beiden Männer gegen 7 Uhr beziehungsweise 9 Uhr heute Morgen jeweils mit einem einzigen Präzisionsschuss getötet.«
Er schrieb die mutmaßlichen Tatzeiten neben die Namen der betreffenden Mordopfer. Während er die Toten mit der Spitze seines Bambusstockes umkreiste, redete er weiter: »Diese fünf aus dem Hinterhalt ermordeten Personen weisen zwei zentrale Gemeinsamkeiten auf: Sie sind alle männlichen Geschlechts und wurden alle während einer sportlichen Betätigung ermordet. Der Täter muss die
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