Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
an, er soll mit den Alzeyer Kollegen abklären, dass wir die Wohnung zuerst besichtigen können. Die sollen ihm ja nicht mit irgendeinem Zuständigkeits-Gelaber kommen. Das ist unser Fall – basta!«
»Okay«, antwortete der junge Kommissar und verschwand in seinem Dienstzimmer.
Eine knappe Stunde später trafen die Kriminalbeamten vor einem mehrgeschossigen, verschachtelten Gebäudekomplex im Südwesten Alzeys ein. Sie wurden von ihren Kollegen erwartet, die bereits den Hausmeister aufgetrieben hatten. Eberle hatte inzwischen mit dem Leiter der zuständigen Kriminaldirektion eine entsprechende Vereinbarung getroffen, nach der den Mitgliedern der SOKO ›Sniper‹ als Erste der Zugang zur Wohnung des mutmaßlichen Serienmörders gewährt wurde.
Nachdem der Hausmeister die Tür geöffnet hatte, betraten die Kaiserslauterer Beamten sowie Johannes Zörntlein die Wohnung. Tannenberg nahm dem Hausmeister den Schlüssel aus der Hand, schob ihn zur Seite und verschloss vor den Augen seiner staunenden Alzeyer Kollegen die Tür von innen.
Das Zwei-Zimmer-Apartment war gespickt mit militaristischen Utensilien und erinnerte an ein Feldlager. Bereits im Flur kroch einem dieser eigenartige, muffige Geruch in die Nase, den jeder kennt, der schon einmal an einem Bundeswehr-Biwak teilgenommen hat. Im Wohnzimmer hing ein großes Tarnnetz von der Decke herab.
Die Wände waren regelrecht tapeziert mit Rambo-Postern, Abbildungen von Bodybuildern und gerahmten, großformatigen Fotos, auf denen neben allem möglichen Kriegsgerät auch verschiedene Gruppen von Söldnern in Kampfanzügen abgebildet waren. Meist waren diese martialischen Gestalten bis zu den Zähnen bewaffnet und ihre Gesichter mit Tarnfarben bemalt. Auf einigen der Fotos war der Kopf eines ausgesprochen grimmig dreinblickenden Mannes mit einem roten Kreis umrandet.
»Das dürfte wohl dieser Rettler sein«, sagte Tannenberg eher zu sich selbst.
»Scheint so«, stimmte Schauß, der das Fahndungsfoto des Bundeskriminalamtes ebenfalls noch in Erinnerung hatte, leise zu. Zur Kontrolle zog er das Fax aus seiner Jacke und verglich es mit den Wandfotos. »Ja, das ist zweifelsfrei der Mann.«
»Schaut euch das hier mal an«, rief Karl Mertel vom Flur her. »Das ist ja interessant.«
In einer winzigen Küche, in der sich ungespültes Geschirr, geöffnete Dosen und anderer Unrat stapelte, lag auf einem kleinen Resopaltisch eine Pfalzkarte. Auf ihr waren die fünf Anschlagsorte mit schwarzen Kreuzen markiert.
»So ein elender Saukerl«, fauchte Tannenberg mit gefletschten Zähnen. »Der Typ kann froh sein, dass er sich selbst das Licht ausgeblasen hat. Wenn ich den lebend in die Finger gekriegt hätte.«
»Dieser Rettler hat offensichtlich über die Medien mitbekommen, dass wir ihn enttarnt haben«, meinte Zörntlein, den Blick starr auf die Wanderkarte gerichtet. »Und dann hat er allem ein Ende gemacht, bevor wir ihn uns schnappen konnten.«
»Hätte ich in seiner Situation wahrscheinlich auch getan«, murmelte Schauß. »Bei dem, was ihn noch so alles erwartet hätte.«
Mertel entdeckte auf einer Ablage den Personalausweis des Toten. »Tja, dann können wir diesen Fall nun erfreulicherweise als gelöst betrachten und ad acta legen«, sagte er, während er das Dokument in die Höhe hielt.
»Wobei er sich wohl eher ohne unser Zutun gelöst hat«, erwiderte Tannenberg in ungewohnter Bescheidenheit. »Gott sei Dank.«
»Puh, bin ich froh, dass wir ihn endlich haben«, seufzte Michael Schauß und ließ sich auf einen verschlissenen Küchenstuhl niedersinken.
Tannenberg klopfte dem Spurensicherer auf die Schulter. »Nicht auszudenken, wenn uns Kommissar Zufall nicht wieder einmal hilfreich unter die Arme gegriffen hätte. Und zwar diesmal, indem er dich mit deinen Adleraugen die Haare unter der Kugel hat entdecken lassen. Dieser Wahnsinnige hätte garantiert noch weitere unschuldige Menschen ermordet, nur um seinen perversen Zehnkampf-Plan zu vollenden.«
»Vielleicht aber auch nicht, denn auf der Karte sind nur diejenigen fünf Orte eingezeichnet, an denen er bereits zugeschlagen hat«, gab Schauß zu bedenken.
»Wahrscheinlich wollte er nach dem letzten Anschlag erstmal eine Verschnaufpause einlegen. Bestimmt wollte er abwarten, bis der Fahndungsdruck nachgelassen hat, und anschließend in aller Ruhe die Vorbereitungen für die zweite Staffel treffen.«
Zörntlein hatte sich zwischenzeitlich ins Wohnzimmer begeben und in einem natooliv gespritzten Spind
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