Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
waren.
»Als die ersten beiden Opfer getötet wurden, war Zörntlein angeblich noch in Köln bei diesem Interpol-Kongress«, sagte er. »Sie, Herr Oberstaatsanwalt, haben ihn uns erst am Dienstag präsentiert. Das ist doch richtig, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig. Er ist irgendwann morgens in meinem Büro aufgetaucht.«
»Also hat er kein Alibi für diese beiden Morde«, stellte der Kriminaltechniker nüchtern fest. Er wies mit einem Zeigestock auf den Namen ›Pascal Sprengard‹. »Wo war Zörntlein zu dem Zeitpunkt, als unser Kollege im PSV-Sportgelände erschossen wurde?«
»Ich hatte an diesem Abend Bereitschaft und habe ihn nach dem Anruf der Zentrale gegen 19 Uhr 30 in einem Restaurant in der Innenstadt abgeholt«, entgegnete Sabrina Schauß.
»War er da gerade beim Essen?«
Sabrina dachte kurz nach, dann antwortete sie kopfschüttelnd: »Nein. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte er noch nicht einmal bestellt.«
»Sprengards Tod ist nach den Berechnungen unseres Docs um circa 18 Uhr 30 eingetreten.«
»Plus minus eine halbe Stunde«, berichtigte der Rechtsmediziner.
»Okay. Auch dann hätte Zörntlein genügend Zeit gehabt, um nach dem Anschlag in die Stadt zu fahren und sich in ein Restaurant zu setzen.« Mertel zog das Kinn zum Hals. »Ist er eigentlich mit dem Auto nach Kaiserslautern gekommen?«
Diese Frage konnte niemand beantworten, denn keiner der Anwesenden hatte ihn bislang mit einem eigenen PKW gesehen.
»Ist auch egal«, meinte der Kriminaltechniker. »Von seinem Hotel am Messeplatz aus sind es zu Fuß kaum mehr als fünf Minuten in die Innenstadt.«
»Oder er hat ein Taxi benutzt«, bemerkte Geiger.
Mertel ging nicht darauf ein, sondern widmete sich einem anderen Thema: »So, und nun zu den beiden Morden am Mittwoch in Rockenhausen und in Merzalben.«
»Da war Johannes in Lyon«, meldete sich Tannenberg zu Wort.
»Angeblich«, warf Dr. Schönthaler mit starker Betonung der zweiten Silbe ein.
»Bisheriges Fazit: Zörntlein besitzt für diese Tatzeitpunkte kein Alibi«, resümierte der Spurenexperte.
»Einspruch. Das kann alles Zufall sein.«
»Du klammerst dich wohl gerade an deinen allerletzten Strohhalm, mein liebes Wölfchen«, spottete der Rechtsmediziner.
Mertel bog den dünnen Bambusstab, bis er fast zu bersten drohte. Dann schlug er sich damit leicht auf den Oberschenkel. »Aber das ist noch nicht alles.«
»Ja, was denn noch?«, stöhnte Tannenberg.
»Da wären noch diese beiden Haare, die ich auf Sprengards Bauch unter der Eisenkugel gefunden habe.«
»Und was ist mit denen?«
Karl Mertel schloss einen Moment die Augen und versuchte sich die Ereignisse zur Sicherheit noch einmal bildlich ins Gedächtnis zu rufen. »Wolf, erinnerst du dich noch daran, dass du, ich und Sabrina zu dem Hang gelaufen sind, an dem die Fußabdrücke sehr deutlich zu erkennen waren? Die eine Spur den Hang hinauf, die anderen Spur herunter.«
»Ja, klar.«
Er reckte bedeutungsvoll den Zeigefinger in die Höhe. »Und wo war da Zörntlein?« Er wartete nicht Tannenbergs Reaktion ab, sondern schob sogleich nach: »Ich sag dir’s: Er ist bei Sprengards Leichnam zurückgeblieben. Und genau in diesen zwei, drei Minuten war er völlig unbeobachtet und hätte ganz leicht Thomas Rettlers Haare unter der Kugel deponieren können.«
»Und wo soll er sich die besorgt haben?«
»Das ist jetzt nicht unbedingt die entscheidende Frage, Wolf. Viel interessanter ist die, warum er das getan hat.«
»Die Erklärung dafür liegt ja wohl auf der Hand«, meldete sich Michael Schauß zu Wort: »Weil er den Tatverdacht damit auf diesen ehemaligen Söldner lenken konnte«, er stieß geräuschvoll Luft durch die Nase, »der sich dann zufälligerweise einer Befragung durch Suizid entzogen hat. Schon wieder so ein merkwürdiger Zufall. Allmählich sind mir das bedeutend zu viele.«
Während es dem SOKO-Leiter offensichtlich die Sprache verschlagen hatte, setzte Mertel zum Finale an: »Aber das ist immer noch nicht alles, Wolf. Denn meines Erachtens hat er und kein anderer dich und den Bundeswehr-Psychologen im Wald beschossen. Nur er hat von eurem geplanten Treffen gewusst.« Ein dezentes Schmunzeln huschte über seine Lippen, während er die Kriminalpsychologin in Augenschein nahm. »Sieht man einmal von Eva ab. Zörntlein muss dir von hier aus gefolgt und …«
»Kronenberger kann doch auch selbst seinem Mörder von unserer Verabredung erzählt haben«, protestierte Tannenberg.
Mertel wischte den Einwand
Weitere Kostenlose Bücher