Zehntausend Fallen (German Edition)

auf wenige Kubikmeter.
    „Ist das nicht unglaublich?“, schwärmte Michelle weiter. Ja, es war wunderschön. Das Tal empfing sie mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Die Wiesen an den Hängen leuchteten in sattem Grün, das viel weiter oben in das Grau der Felsen überging. Auf den Gipfeln strahlte der Schnee blendend weiß.
    „Da ist es.“ Marco deutete auf ein Haus am Hang, das in dem typischen Schweizer Stil erbaut war, den Michelle so sehr liebte. „Unser neues Zuhause.“
    „Unser Paradies“, ergänzte Michelle. „Hier sollen unsere Kinder aufwachsen.“
    Die bekamen von der Begeisterung ihrer Eltern nichts mit. Der dreijährige Noah und die fünfzehn Monate alte Zoé schliefen fest in ihren Kindersitzen. Marco steuerte die steile Auffahrt hoch. Für den Jeep mit seinem Allrad-Antrieb war das kein Problem.
    Michelle stieg als erste aus. Sie atmete tief die klare, würzige Luft und drehte sich glücklich im Kreis. Marco sah ihr lächelnd zu. Man sah seiner Frau die beiden Kinder nicht an. Mit viel Sport und noch mehr Rohkost hatte sie ihre schlanke Figur zurückerobert. Sie sah genauso schön aus, wie zu der Zeit, als er sie kennengelernt hatte.
    „Hier will ich nie wieder weg!“, lachte Michelle ihn strahlend an.
     
    Mehr als eintausend Meter über ihnen lösten sich einige Felsen aus einer Wand und rumpelten auf einen tiefergelegenen Sims. Der Riss zwischen dem Sims und der Wand wurde um mehrere Zentimeter breiter.
     
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14.               Der Traum
    Michelle sah sich oberhalb ihrer spielenden Kinder auf dem Rasen sitzen. Die Sonne schien ihr warm in den Nacken. Zoé kniete im Sandkasten und schaufelte den Sand zum dritten Mal durch ein rotes Sieb in ihren kleinen gelben Plastikeimer. Noah schaukelte fröhlich plappernd neben ihr.
    Auf einmal kam ein Wind von den Bergen herab, kalt und heftig. Alle Luft strömte zum Ausgang des Tals. Die Berge verloren ihre Form, begannen zu fließen, hin auf etwas Schwarzes zu. Noch niemals in ihrem Leben hatte Michelle solch eine Schwärze gesehen. Es war, als ob jegliches Licht an dieser Stelle ausgelöscht war. Ein Loch, herausgestanzt aus dieser Welt.
    Die Schwärze wuchs. Sie kam das Tal heraufgekrochen. Oder floss das Tal darauf zu? Michelle wusste es nicht. Sie war gelähmt vor Schreck. Die Häuser unten an der Straße verschwanden in dem schwarzen Nichts. Es wuchs die Straße hinauf. Jetzt erreichte es ihr Haus. Das Haus erzitterte, brach zusammen. Der hintere Teil war plötzlich einfach weg.
    Michelle wollte zu ihren Kindern laufen. Starr vor Entsetzen konnte sie ihre Beine nicht bewegen. Noah sprang von der Schaukel und lief ihr entgegen. „Mama!“, schrie er. Kaum zu verstehen, weil die Luft inzwischen wie ein Orkan in die Schwärze strömte. Jetzt verschluckte das Loch den Sandkasten. Zoé sah angstvoll auf - und rutschte ins Nichts. Sie war weg.
    „NEIN!“, schrie Michelle.
    Noahs kurze Beine mühten sich, den Berg hochzukommen. Vergeblich. Die Finsternis war schneller. „Mamaaa!“
    Sekunden später erreicht es Michelle. Sie fühlte einen übermächtigen Sog, wollte sich festhalten. Vergeblich. Dann spürte sie nichts mehr.
    Schweißgebadet wachte Michelle auf. Ihr Kissen und ihre Bettwäsche waren zerwühlt. Entsetzen füllte ihre Gedanken. Sie fürchtete verrückt zu werden - und wünschte sich sehnlichst, verrückt zu sein. Wenn dieser Traum nur ein Ausfluss eines irren Geistes wäre, dann wäre alles gut. Aber sie war nicht krank. In wenigen Stunden würde sie zur Arbeit fahren, ein Vorstellungsgespräch führen, einen Bericht schreiben und weitere alltägliche Aufgaben erledigen.
    Sie war nicht verrückt. Was sie geträumt hatte, konnte Realität werden. Das durfte es nicht. NIEMALS!
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    Über den Autor
    Klaus Seibel, geboren 1959, studierte Theologie, arbeitete als Pastor, bildete sich in Betriebswirtschaft weiter und ist heute Manager Professional Services eines Softwarehauses.
     
    1. Platz im Krimi-Wettbewerb der Frankfurter Neuen Presse 2009
    Platz 1 in Amazon eBook, Auswahl: Deutscher Krimi
    Platz 2 in Amazon eBook, Auswahl: Science Fiction
    „Krieg um den Mond“ war monatelang in den Amazon-Bestsellerlisten
     
    Homepage: http://www.kseibel.de
    Facebook: Klaus Seibel Autorenseite
    Ich freue mich auf Ihren Besuch.
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    Dank und Quellen
    Ganz besonders möchte ich Volker Ferkau danken. Er hat mir mit großer Kreativität und Geduld zu einem schönen, neuen