Zehntausend Fallen (German Edition)
ihr aufgenommen hatte.
»Ich werde ihn kriegen«, hatte Ellen sich geschworen. Das Pflaster sorgte dafür, dass sie diesen Entschluss niemals vergaß.
Endlich waren die Sicherheitsüberprüfungen abgeschlossen. Ellen tippte Saatogo in die Google-Suchleiste. Sie hatte noch nie etwas von dieser Firma gehört. Nach einer halben Stunde Recherche wusste Ellen über das Wesentliche Bescheid:
- einer der größten Saatguthersteller weltweit
- hat in den letzten Jahren zahllose kleine und mittlere Saatgutfirmen aufgekauft
- starker Schwerpunkt auf Gentechnik!
Diese drei Punkte markierte Ellen mit einem orangefarbenen Textmarker, wobei sie den letzten noch mit einem Ausrufezeichen bedachte, denn der behagte ihr am wenigsten. Das schien auch anderen so zu gehen. Er war Ausgangspunkt für häufige und heftige Kritik, die Ellen bei ihrer Suche massenweise begegnete. Dazu kamen Vorwürfe, der Konzern würde seine Interessen skrupellos durchsetzen. Es schienen eine Anzahl Gerichtsverfahren am Laufen zu sein. Details waren über das Internet nicht zu erfahren, nur die Stichworte »vertragswidriger Gebrauch« und »Saatgut« tauchten immer wieder auf, dazu von anderer Seite »Erpressung« und »rüde Methoden«.
Auf seiner Website präsentierte sich Saatogo dagegen in den leuchtendsten Farben. Forschung zum Wohle der Menschheit, gegen den Hunger in der Dritten Welt, für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Das klang alles gut. Zu gut, fand Ellen. Ihr eigener Anruf bei der Hotline ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie hörte ihn nochmals von ihrem Handy ab. Das wollte so ganz und gar nicht zu der schönen Selbstdarstellung passen.
5
In der Nähe von Brüssel, mehr als siebenhundert Kilometer von Ellen entfernt, verfolgte Clark Hasels aufmerksam das Geschehen in Planquadrat T18.
Planquadrat T18 stand für Berlin und das nördliche Umland, aber das war unwichtig für Hasels. Ortsnamen interessierten ihn nicht, er dachte nur in Planquadraten. Jedes dieser Quadrate stand für eine Fläche von einhundert mal einhundert Kilometern. Ganz Europa war in solche Stücke aufgeteilt, als ob man eine Exceltabelle auf eine Europakarte projiziert hätte. So ähnlich jedenfalls funktionierte sein System.
Clark Hasels arbeitete in der Abteilung crd , einer von unzähligen Abteilungen im Saatogo-Konzern. crd stand für die klangvolle Bezeichnung »Customer Research and Development«, Kundenforschung und Entwicklung. Das war auch schon alles, was man in der Öffentlichkeit über diese Abteilung wusste. Den über zwanzigtausend Mitarbeitern des Konzerns ging es nicht anders. Nur die abteilungsinternen Mitarbeiter kannten die wahre Bedeutung des crd , dazu ein kleiner Kreis ausgesuchter Personen, die der Geschäftsführung nahestanden.
Seit h eute Morgen war das Planquadrat T18 in den besonderen Fokus von Hasels Aufmerksamkeit gerückt. Es hatte mehrmals kurz aufgeblinkt als Anzeichen dafür, dass in dieser Gegend irgendetwas geschah. Bei jedem Blinken verschob sich der Farbton in Richtung Rot. Das deutete auf ein erhöhtes Risiko hin. Etwas war dort in Bewegung – und zwar nicht zugunsten des Konzerns.
Hasels klickte auf T18 und zoomte das Feld heran, damit er die Details sehen konnte. Es enthielt je zwei schwarze Punkte und einen grauen. Jeder schwarze Punkt, von denen es über die ganze Tabelle verstreut gut zwei Dutzend gab, stand für den Selbstmord eines Endkunden. Das war für gewöhnlich ein Landwirt. Zwei je Planquadrat war für europäische Verhältnisse viel. Auf anderen Kontinenten waren es mehr, wusste Hasels von seinen Kollegen, aber da galten andere Maßstäbe. Die beiden Punkte in T18 waren ärgerlicherweise keine Ausnahme. Auch die benachbarten Planquadrate wiesen je einen Punkt auf. Das war ein untrügliches Anzeichen dafür, dass in dieser Gegend grundsätzlich etwas nicht stimmte, und Hasels Aufgabe war es, genau das herauszufinden und abzustellen.
Am heutigen Morgen war ein grauer Punkt hinzugekommen. Grau stand für einen Selbstmordver such. Damit hatte die Unruhe in T18 erst richtig begonnen. Nicht lange nach dem Erscheinen dieses Punktes war zweimal die Hotline angerufen worden, jedoch ohne dass jemand eine Nachricht hinterlassen hatte. Das war in diesem Zusammenhang verdächtig.
Hasels rief Rob zu sich. »Finde den Anrufer heraus und mache einen Namensabgleich!«
Rob hieß eigentlich Roberta Schuller, war noch nicht allzu lange beim crd und musste immer alles genau erklärt bekommen.
Weitere Kostenlose Bücher