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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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Ha! Irgendwie hatte er alles zurückbekommen. Alles war jetzt gut, alles war –
    Die Frau bückte sich zu ihm und berührte seine Narbe.
    Wow, autsch, sagte sie. Das ist Ihnen aber nicht da draußen passiert, oder?
    Da fiel ihm wieder ein, dass der braune Fleck kein bisschen weniger in seinem Kopf saß als zuvor.
    Ach Gott, durch all das musste er ja immer noch durch.
    Wollte er das immer noch? Wollte er immer noch leben?
    Ja, ja, o Gott, ja, bitte.
    Weil, okay, die Sache war die – das begriff er jetzt, fing an, es zu begreifen –, wenn ein Mensch am Ende auseinanderfiel und schlimme Dinge sagte oder tat oder Hilfe brauchte, in ganz beachtlichem Maße Hilfe brauchte? Na und? Was war dann? Warum sollte er nicht komische Sachen tun oder sagen oder seltsam oder ekelhaft aussehen? Warum sollte ihm nicht die Scheiße an den Beinen herunterlaufen? Warum sollten die Menschen, die ihn liebten, ihn nicht hochheben und beugen und füttern und abwischen, wo er dasselbe mit Freuden für sie tun würde? Er hatte befürchtet, all das Hochheben und Beugen und Füttern und Abwischen hätte ihn entwürdigt, das befürchtete er immer noch, aber zugleich begriff er plötzlich, dass vor ihm noch viele – viele Tropfen Güte, so kam ihm das jetzt in den Kopf – viele Tropfen glücklicher – guter Gemeinschaft – liegen konnten und dass es ihm nicht zu stand – niemals zugestanden hatte –, diese gemeinschaftlichen Tropfen zu hindern.
    Verhindern.
    Der Junge kam aus der Küche, verloren in Ebers großem Mantel, und jetzt, wo er die Stiefel nicht mehr anhatte, bildete die Schlafanzughose eine Pfütze um seine Füße. Er nahm sanft Ebers blutige Hand. Sagte, es tue ihm leid. Dass er im Wald so ein Dummkopf gewesen sei. Dass er abgehauen sei. Er hätte es einfach nicht mehr gerafft. So vor lauter Angst und so.
    Hör zu, sagte Eber heiser. Du hast dich unglaublich gut geschlagen. Du hast es perfekt gemacht. Ich bin jetzt hier. Wer hat das geschafft?
    So. Das konnte er doch immer noch tun. Vielleicht fühlte sich der Junge jetzt besser? Und er hatte es bewirkt? Das war ein Grund. Weiter durchzuhalten. Oder? Kannst keinen trösten, wenn du nicht mehr da bist. Kannst nicht mal mehr einen Pups lassen, wenn du weg bist.
    Als es auf Allens Ende zuging, hatte Eber in der Schule ein Referat über die Manatis gehalten. Und dafür eine Eins von Schwester Eustace bekommen. Die ganz schön hart sein konnte. An der rechten Hand fehlten ihr zwei Finger von einem Rasenmäherunfall, und manchmal benutzte sie diese Hand, um ein Kind zu Tode zu erschrecken.
    Daran hatte er seit Jahren nicht mehr gedacht.
    Sie hatte diese Hand auf seine Schulter gelegt, nicht um ihn zu erschrecken, sondern als eine Art Lob. Das war ganz toll. Ihr solltet eure Arbeit alle so ernst nehmen wie Donald. Donald, ich hoffe, du gehst nach Hause und erzählst deinen Eltern davon. Er war nach Hause gegangen und hatte Mom davon erzählt. Die ihm vorgeschlagen hatte, Allen davon zu erzählen. Der an jenem Tag mehr Allen als DAS DA gewesen war. Und Allen –
    Ha, wow, Allen. Was für ein Mann.
    Ihm kamen die Tränen, jetzt vor dem Holzofen.
    Allen hatte – Allen hatte gesagt, das sei großartig. Ein paar Fragen gestellt. Zu den Manatis. Was fraßen die noch mal? Und konnten die sich tatsächlich miteinander verständigen, was meinte er? Das musste vielleicht eine Strapaze gewesen sein! In seinem Zustand. Vierzig Minuten über Rundschwanzseekühe? Inklusive ein Gedicht, das Eber geschrieben hatte? Ein Sonett? Über die Manatis?
    Er war so glücklich, Allen wiederzuhaben.
    Ich werde es ihm gleichtun, dachte er. Ich werde versuchen, es ihm gleichzutun.
    Die Stimme in seinem Kopf war zittrig, hohl, wenig überzeugt.
    Dann: Sirenen.
    Irgendwie: Molly.
    Er hörte sie an der Haustür. Mol, Molly, au weia. Zu Anfang ihrer Ehe hatten sie sich oft gestritten. Die wahnwitzigsten Sachen gesagt. Nachher flossen manchmal Tränen. Tränen im Bett? Und dann machten sie – dann presste Molly ihr heißes, feuchtes Gesicht an sein heißes, feuchtes Gesicht. Mit ihren Körpern sagten sie einander, dass es ihnen leidtat, jeder nahm den anderen wieder an, und dieses Gefühl, dieses Gefühl, immer wieder angenommen zu werden, dieses Gefühl der Zuneigung eines anderen für dich, die immer größer wurde, um jegliches neue schlimme Ding auch noch umfassen zu können, das sich gerade in dir gezeigt hatte, das war das tiefste, wertvollste Erlebnis, das er je –
    Sie kam hochrot herein, Bedauern und

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